Erstens kommt es anders ... (German Edition)
– machen wir uns nichts vor! – Bedürfnisse beiseite und räusperte sich vernehmlich.
Als nichts geschah, wiederholte er das Manöver, diesmal lauter. Doch abermals konnte er nicht den geringsten Erfolg verzeichnen. Auch sein Husten provozierte keine Reaktion und so beförderte er Mr. Rogers, Sir! , mit einem entschlossenen Fußtritt vor die Tür und kniete sich neben ihren Stuhl. »Stevie ...«, murmelte er. Eine einsame Haarsträhne war ihr ins Gesicht gefallen und er strich sie andächtig hinter ihr Ohr.
»Stevie, Honey ...« Sie reagierte immer noch nicht, und Michael fand, dass er damit jedem Anstand Genüge getan hatte. Offensichtlich wollte sie nicht wach werden, also musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Lange brauchte er nicht, um einen Plan B zu kreieren, den er auch gleich in die Tat umsetzte. So behutsam, wie er es nur zustande bringen konnte, hob er sie aus dem Stuhl und trug sie zur Couch. Wach wurde sie auch bei dieser Aktion nicht, doch ihre Arme legten sich wie von selbst um seinen Hals und ihre Lippen pressten sich an seine Wange. Michael versuchte es wirklich, aber in diesem Klammergriff konnte er sie nicht hinlegen, ohne sie zu wecken. Und genau das musste tunlichst vermieden werden.
Jedenfalls sah er das inzwischen so.
Laut Diana war er vielleicht ein Idiot – aber kein solcher! Jetzt umarmte sie ihn, ihre Finger befanden sich in seinem Nacken, auch wenn sie diesmal nicht auf und ab strichen, die Lippen – wieder so verdammt heiß – berührten seine Wange und ein Mal glaubte er ein leises »Michael ...« zu hören. Wer war er, um diese so friedliche Situation zu gefährden?
Mit einem zufriedenen Seufzen ließ er sich behutsam mit Stevie im Arm auf die Couch sinken und bewachte in den folgenden Stunden ihren Schlaf.
Mit Einbruch der Dämmerung bettete er sie vorsichtig auf das Polster und jetzt löste er doch sanft ihre Arme von seinem Hals – was sich keineswegs einfach gestaltete.
Nach weiteren sechzig Minuten wurde Stevie wach und stellte sichtlich bestürzt fest, wo sie sich befand. Michael empfing sie grinsend hinter seinem Schreibtisch.
»Ausgeschlafen?«
Verwirrt rieb sie die Augen und wirkte dabei wie ein verschlafenes Kind. »Wie bin ich auf die Couch gekommen?«
»Ich weckte Sie und sagte Ihnen, dass Sie nach Hause fahren können. Dazu verspürten Sie augenscheinlich keine Lust und so unterbreitete ich Ihnen den Vorschlag, die Nacht hier zu verbringen. Sie akzeptierten.«
Ganz offensichtlich nahm sie ihm kein Wort von seiner zugegeben, reichlich fantasielosen Erklärung ab, stellte jedoch auch keine Fragen. Und der kommende Tag verlief etwas weniger eisig, als die vorangegangenen.
Obwohl dies selbstverständlich auch daran liegen konnte, dass Cassidy sich nicht blicken ließ.
* * *
nfang September wurde Mrs. Grace aus der Klinik entlassen.
Freudestrahlend fiel sie Stevie um den Hals, als die sie in Castle Rock abholte. »Oh, ich bin so glücklich!«
Angekommen im Appartement, ließ die Freude allerdings schnell nach. Stevie sah, wie die Miene ihrer Mutter immer länger wurde. Sie kochte einen Kaffee und setzte sich zu ihr auf die Couch. »Was ist los?«
Seufzend blickte Vanessa Grace sich um. »Ich bin jetzt knapp fünfzig«, stellte sie schließlich fest. »Verarmt, lasse mich von meiner Tochter aushalten und bin eine attestierte Suchtkranke. Selbst unter optimistischer Betrachtung sieht es derzeit nicht sehr gut aus.«
Wie sehr konnte Stevie sie verstehen. Fest umarmte sie ihre Mutter. »Ihr habt uns aufgezogen, wir bekamen alles, was wir uns wünschten. Jetzt sind wir verantwortlich. Das ist nur recht und billig.«
»Nein, das ist es ...«
»Doch! Es ist sogar mehr als das. Und ich schwöre dir, ich werde dafür sorgen, dass es uns gut geht.« Vergnügt lachte sie. »Okay, in Wahrheit geht es uns bereits wieder halbwegs gut. Was ist dein größtes Problem? Das Appartement? Ich weiß, es ist nichts Besonderes.«
Vanessa lachte nicht. »Ich kann nicht zulassen, dass du dich ewig verpflichtet fühlst, für mich zu sorgen. Ich muss auf eigenen Beinen stehen, arbeiten gehen.«
»Mom! Du warst in deinem ganzen Leben noch nie ...«
»Jetzt höre mir mal zu, mein liebes Kind!« Oh, das klang sehr ernst. »Ich habe ein abgeschlossenes Journalistikstudium vorzuweisen. Sicher übte ich diesen Beruf niemals aus, aber ich erlernte ihn. Wenigstens versuchen kann ich, in dieser Richtung einen Job zu finden! Ich darf nicht ewig auf deine Kosten leben!« Darauf
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