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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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einzulassen. Stattdessen fuhr er die ganz schweren Geschütze auf, hatte bereits fünf Belastungszeugen geladen und war sich auch für die Mitleidsmasche nicht zu schade.
    Die gesamte Familie des Unfallopfers sollte als Zeugen aussagen, einschließlich der beiden vierzehn- und fünfzehnjährigen Kinder.
    Was bedeutete, Cassidy befand sich bereits mit einem Bein im Gefängnis. Denn spätestens der Anblick der Halbwaisen würde die Geschworenen in Lichtgeschwindigkeit gegen die Angeklagte aufbringen.
    Daher waren Michael und Stevie während des Augusts durchaus beschäftigt.
    Wieder arbeiteten sie fieberhaft und die Bürozeiten waren vorübergehend außer Kraft gesetzt. Michael sah sich sogar gezwungen, einige Mandanten an einen guten Kollegen zu übergeben, weil er sie neben der Vorbereitung auf die Verhandlung nicht mehr angemessen betreuen konnte.
    Oft saßen die beiden bis spät in die Nacht, gingen Präzedenzfälle durch, suchten nach Entlastungszeugen oder nach einem anderen Weg, um Cassidy irgendwie aus der Schlinge zu befreien, die sich langsam aber sicher um deren Hals immer fester zog.
    Miss Grace und Mr. Rogers, Sir!, hatten sich in den vergangenen Wochen gegenseitig die Hölle heißgemacht – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch in diesen Stunden stellten sie das übliche Team dar. Jenes, das perfekt miteinander arbeitete, das sich ohne Worte verstand, bei dem kein Schweigen unangenehm wurde und keine überflüssige Äußerung vonnöten war. Auch wenn manchmal über Stunden nicht gesprochen wurde. Es hatte sich nicht geändert, das würde es wohl nie. Allerdings achtete Michael sorgsam daran, dass Stevie sicher nach Hause kam, egal, wie spät es wieder geworden war.
    Ihren uralten Honda hatte er mit einigem Stirnrunzeln beäugt, und konnte einfach nicht begreifen, weshalb sie sich keinen anständigen Wagen zulegte. Inzwischen kannte er Stevie zu gut, um anzunehmen, sie würde ihr Geld lieber für sinnlose Kleidung ausgeben. Auch wenn sie sich das eine oder andere neue Stück zugelegt hatte – um ihn damit in den Wahnsinn zu treiben, natürlich. Garantiert hatte sie die Ausgabe einige Überwindung gekostet. Sie wenigstens dazu erfolgreich provoziert zu haben, machte ihn durchaus stolz. Denn im Grunde war ihm ihre elende Knauserei ein Rätsel. Ebenso wenig begriff er, warum sie sich nicht endlich ein ordentliches Appartement nahm.
    Eine Frage wäre möglicherweise hilfreich gewesen, um seinen Wissensdurst zu stillen. Doch die vermied er geflissentlich, so wie alles andere Persönliche auch. Das hätte nämlich wieder das freundschaftliche Flair ans Licht gerufen, das er mit mittlerweile verbissener Härte bekämpfte. Er wusste, dass sie längst nicht mehr die Kühlschrank-Stephanie ausgegraben hätte, dass sie auf eine Bemerkung außerhalb der Arbeit nur wartete , auch wenn sie das niemals zugeben würde.
    Doch Michael wollte nicht, dass sie versehentlich wieder diese falsche Richtung einschlugen, weil es ihm bisher nicht gelungen war, sie in die richtige zu bewegen.
    Alles, nur nicht das!
    Manchmal musste er tatsächlich den Chef herauskehren. Neben Cassidys Besuchen gab es gelegentlich immer noch die anderen, die der normalen Mandanten. Inzwischen genoss er das, weil es ihm vorübergehend das Gefühl gab, nicht bereits wahnsinnig geworden zu sein.
    Und bisweilen mimte er in der einen Sekunde den Chef, um in der nächsten – ganz plötzlich und unerwartet – in die Michael - Rolle gedrängt zu werden. So unerwartet, dass ihn die Situation mitunter leicht überforderte.
    Als er eines Abends endlich von der Arbeit aufsah, geschah dies reichlich desorientiert. Beim Lesen hatte er sich nebenher Notizen gemacht, und wie immer in solchen Momenten, alles um sich herum vergessen. Nach einem flüchtigen Blick auf die Uhr saß er aufrecht. Es war bereits weit nach zwei Uhr nachts. »Shit!«, murmelte er und stürzte ins Vorzimmer.
    Irgendwann in den vergangenen Stunden musste Stevie aufgegeben haben. Ihr Kopf lag friedlich auf den verschränkten Armen, und sie schlief tief und fest. Ratlos stand er neben ihr und überlegte, was zu tun war. Prompt meldete sich in ihm der mittlerweile leicht bitter schmeckende Wunsch, sie in sein Bett zu tragen. Einfach nur neben ihr zu liegen, hätte ihm schon genügt. Ja, so weit waren die Dinge inzwischen gediegen.
    Doch das würde er natürlich nicht tun. Schließlich hatte er sich an die Regeln zu halten …
    Yeah …
    Resigniert wischte Michael alle ungebetenen und lächerlichen

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