Erstens kommt es anders ... (German Edition)
um, die sofort vor ihr zurückwich, als wäre sie eine ausgehungerte und daher leicht vom Wahnsinn befallene Löwin.
»Du wirst auf dieses verdammte College in Portland gehen! Dad hätte es so gewollt, und ich kann dir flüstern, dass es wirklich nicht einfach ist, die Studiengebühren aufzubringen!«
»Aber mein Fond ...«
»Dein Fond ist das, wovon wir gerade leben oder was glaubst du, wie wir das sonst finanzieren?« Bianca wich ein weiteres Stück vor der durchgeknallten Großkatze mit den blauen Augen zurück. Immer schön in Richtung Mommy.
»Und du!« Das galt der zuletzt Genannten. Vanessa hatte sich ein bisschen besser unter Kontrolle, war jedoch inzwischen auch einigermaßen bleich geworden. »Du suchst dir einen Arzt in der Stadt. Kein Portland, kein Dr. Meyer! Der ist zu teuer!«
Das gab Mrs. Grace den Rest. Tränen glitzerten in den blauen Augen, die alle drei Frauen vereinte, und sie klammerte sich verzweifelt an ihre jüngere Tochter. »Aber ...«
»Kein aber! Uns fehlt das Geld, kapiert? Ich bin sicher, dass dich dieser Dr. Ramoni hier im Ort ebenso gut behandeln kann!«
Prompt verschwanden die Tränen und Empörung breitete sich auf dem hübschen, erstaunlich jungen Gesicht aus. »Der Mann ist Inder!«
»Na, fantastisch!« Begeistert klatschte Stevie in die Hände. »Vielleicht kennt er ja ein paar Behandlungsmethoden, die nicht mit der Schulmedizin einhergehen. Das würde wenigstens die ausufernden Rezepte eindämmen!«
Grenzenlose Entrüstung machte maßlosem Entsetzen Platz. Ganz klar, Stevie drohte, ihr die Pillen zu nehmen. Und die stellten so ungefähr noch das einzig Lebenswerte in Vanessa Grace‘ verpfuschtem Dasein dar.
Allein dafür hätte deren älteste Tochter diesen dämlichen Arzt gern standesrechtlich erschossen.
Die Mutter tat ihr leid, doch wenn die beiden nicht einsahen, dass sie mitspielen mussten, wusste Stevie auch nicht mehr weiter. Eilig senkte sie den Blick, um nicht länger in die schreckgeweiteten Augen ihrer Mutter und Schwester sehen zu müssen. Denn nun folgte der ultimative Überfall ja erst. »Und ich werde mir einen Job suchen. Das bedeutet, ich muss nach Portland ziehen ...«
»Ach! Du bekommst dein eigenes Appartement und ich nicht!« Erstaunlicherweise befand Bianca sich innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder ganz auf der Höhe.
Wie Stevie es zustande brachte, war der nicht bekannt, aber irgendwie beherrschte sie sich immer noch. »Nein ...«, stieß sie mühsam hervor. »Ich werde mir ein Zimmer nehmen, weil die täglichen Fahrtkosten zu hoch wären. Und du wirst auf dem Campus wohnen, sobald du im nächsten September an die Uni wechselst. Bis dahin bleibst du hier. Weil wir uns nichts anderes leisten können! Jetzt kapiert?«
Wütend beäugte sie ihre Schwester, die sich Schutz suchend in die Arme ihrer Mutter geflüchtet hatte.
Und dies war er dann, Stevies legendärer Auszug aus dem kleinen und – ihrer bescheidenen Ansicht nach – echt hübschen Häuschen in der Provinz.
Dem folgten drei Wochen elender und vor allem fruchtloser Rennereien. Nie hätte Stevie geglaubt, dass ihre Jobsuche derart kompliziert werden würde.
Dem einen war sie zu jung, dem anderen zu alt; die eine Firma lehnte Frauen überhaupt ab (also, als Mitarbeiterinnen), die nächsten suchten jemanden, der berufliche Erfahrungen vorweisen konnte.
Plötzlich interessierte sich niemand mehr für Stevies Bestnoten und ihre hervorragende Bildung. Vor zwei Jahren hatte sich ihr die Situation ganz ungleich dargestellt. Möglicherweise musste man diese echt miese Veränderung der Verhältnisse der allgemeinen Wirtschaftskrise zuschreiben. Die Auswahl unter den Arbeitssuchenden war wohl viel größer.
Eine unerwartete Schwierigkeit, die Stevie in gravierende Probleme und vor allem große Bedrängnis brachte. Denn sie war darauf angewiesen, so schnell wie möglich einen Job zu finden und Geld heranzuschaffen. Das Überleben ihrer Familie hing davon ab.
Täglich und mit wachsender Verzweiflung las sie die Stellenausschreibungen in der Zeitung. Nein, sie war nicht verrückt und reich genug, um sich jeden Morgen eine zu kaufen! In dem kleinen Café an der Ecke, das im Grunde nur ein besserer Bäcker war, lagen immer ein paar aktuelle Tagesblätter aus und der Kaffee kostete nur 50 Cent.
Doch so langsam aber sicher breitete sich totale Demoralisierung in ihr aus. Denn es schien tatsächlich in der gesamten Stadt nichts annähernd Geeignetes für sie zu geben.
Und als sie dann auf
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