Erstens kommt es anders ... (German Edition)
dargelegt.«
»Autsch!«
Eilig schüttelte sie den Kopf. »Ich bin kein Sadist. Es blieb eher harmlos.«
Während Michael sie betrachtete, entschied er spontan, dass Percy doch weiterleben durfte. Für die Nummer würde er ihn die nächsten vierzig Jahre bluten lassen. Jedes Mal, wenn er ihn sah. Der Kerl fiel ohne zu fragen über ein Mädchen her und wurde auf diese Art in die Flucht geschlagen?
Nun, offenbar war Stevie nicht die Einzige, die den Kerl aber so richtig schön an den Eiern hatte.
In den folgenden Wochen versuchte Michael etwas völlig Unbekanntes:
Er bemühte sich um eine Frau.
Was sich als überaus kompliziert herausstellte, weil sie es nämlich nicht bemerken durfte.
Daher blieb ihm nicht viel, außer freundlich zu ihr zu sein, viel und oft zu lächeln, sich mit ihr zu unterhalten und sie hin und wieder zum Lunch einzuladen. Was das betraf, war ihm ein wahnsinnig guter Gedanke gekommen ...
An den Familientisch durfte er sie nicht bitten – um die Konventionen nicht ins Wanken zu bringen.
Fein.
Einen gemeinsamen Restaurantbesuch hätte sie umgehend abgelehnt und sofort die Kühlschrank-Stephanie ausgepackt.
Richtig.
Es existierte jedoch eine dritte Alternative: Michael ließ das Essen liefern.
Und so kam es, dass sie in den kommenden Wochen etliche Male bei italienischer oder amerikanischer Pizza saßen, manchmal auch bei chinesischem Essen, griechischen Gerichten, Essen vom Thailänder und jeder anderen internationalen kulinarischen Spezialität, die Michael auf seiner neuerdings ständigen Suche nach Lieferservices auftat.
Natürlich bestand sie darauf, sich an den Kosten zu beteiligen und selbst das akzeptierte er, wenn auch mit einer gequälten Grimasse. Er wusste, dass Stevie ihre Unabhängigkeit vehement verteidigte.
Es funktionierte tatsächlich. Keineswegs wurde sie plötzlich aufgeschlossen, das mit Sicherheit nicht. Zwischen ihnen fiel auch nie ein privates Wort, noch immer trug sie diese grausame Bluse und diesen ekelhaften Rock, von ihrem Haar ganz zu schweigen.
Aber dieser widerliche Argwohn erschien immer seltener in ihrem Blick. Die Sehnsucht war jetzt allgegenwärtig und ihr Lächeln offen, ehrlich und irgendwann sogar zaghaft vertrauensselig.
Leider hatte dafür Michael mit einigen, winzigen Problemen zu kämpfen, die sich mit jedem Tag zu steigern schienen:
Schon in der Basis verkörperte er nicht den geduldigsten Menschen, und je mehr Zeit ins Land ging, desto gereizter wurde er. Er konnte nur sehr schlecht damit umgehen, ohne Aussicht auf Besserung in dieser Warteposition zu verharren. Nicht zuletzt, weil er nicht wusste, wohin er denn eigentlich wollte.
Wie sah sein Ziel aus?
Mit anderen Worten, was genau wollte er denn von Stephanie Grace?
Die komplizierteste Frage seines Lebens.
Michael brauchte Monate, um auf die Antwort zu kommen und am Ende gelang es ihm nur mit tatkräftiger Unterstützung.
Zunächst einmal einigte er sich etwas feige darauf, mit ihr gemeinsame Zeit verbringen zu wollen. Ein Zusammensein, das eindeutig über das Bett hinausging.
Soviel stand fest.
Das nächste Problem stellten die Wochenenden dar, welche er neuerdings hasste. Ohne Stevie wusste er nichts mehr mit sich anzufangen. Seit Nina hatte es keine andere Frau gegeben, was bedeutete, dass er seit knapp sechs Wochen ohne Sex lebte. Für einen Mann wie Michael ein Rekord.
Es schien wie ein schlechter Witz! Da glaubte er jahrelang felsenfest, für diese Art von Gefühlen nicht geschaffen zu sein, was ihn keineswegs gestört hatte, im Gegenteil. Immer hatte er es genossen, sich mit den verschiedensten schönen Frauen zu umgeben. Und dann kam sie, Miss zugeknöpft und ernst und veränderte mit einem Schlag alles.
Inzwischen wusste er wirklich, was Sehnsucht bedeutete.
Ging es am Freitagnachmittag auf den Abend zu, bekam er neuerdings massiv schlechte Laune, im Gegensatz zu früher, wo er gerade das Ende der Arbeitswoche geliebt, es manchmal sogar herbeigesehnt hatte. Jetzt zögerte er den Feierabend mit allen Mitteln hinaus. Immer wieder fiel ihm in letzter Sekunde noch irgendetwas ein, was dringend erledigt werden musste. Womit er sich verdammt egoistisch verhielt, denn er übersah kategorisch ihre müden Augen, bot ihr stattdessen einen Kaffee an und bat sie, länger zu bleiben. Bei ihm.
Ende Juli übernahm die Kanzlei einen neuen Fall. Es handelte sich um einen Mordprozess, der Michaels volle Aufmerksamkeit forderte.
Ihrer beider.
Besser hätte es gar nicht kommen
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