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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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existierte nicht länger. Mit anderen Worten: Miss Grace machte soeben ihren Abgang und ließ Stevie auf die Bühne.
    »Michael!«
    Abrupt sah er auf, der tote Ausdruck in seinen Augen ließ sie unwillkürlich einen Schritt auf ihn zugehen. »Was ...?«
    Müde schüttelte er den Kopf, konzentrierte sich erneut auf seine Hände und das gefürchtete Schweigen trat wieder ein. Es dauerte sehr lange, bevor er abermals aufsah. »Schließe die Tür!« Das klang heiser und war keineswegs der Ton, den sie von ihm gewohnt war.
    Weder stellte Stevie eine Frage, noch sagte sie überhaupt etwas. Stattdessen trat sie in den Raum, schloss wie ihr geheißen die Tür und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ewigkeiten vergingen, in denen Michael sie mit diesem fremden, toten Blick musterte und als er unvermittelt Luft holte, fuhr sie zusammen. »Ich denke, du solltest es erfahren. Er mochte dich und ...« Mehr brachte er nicht zustande, doch es genügte.
    Bebende Fingerspitzen berührten ihre Lippen und Stevie ging auf, dass sich ihre Hand zu ihrem entsetzt geöffneten Mund gestohlen hatte. Plötzlich war ihre Sicht gefährlich getrübt, sie sah ihn nur noch in verschwommenen Schemen. »Nein ...«, hauchte sie, ohne davon zu wissen.
    Michael nickte langsam. »Irgendwann heute Nacht. Niemand kann sagen, wann genau. Es ...« Wieder verstummte er und hob in einer Geste, die höchste Hilflosigkeit signalisierte die Arme.
    Ihre Handlungen erfolgten intuitiv, ohne zu überlegen – menschlich.
    Aufstehen und um den Tisch stürzen, geschah im beinahe gleichen Moment. Erst als sie vor ihm stand, die Arme bereits fordernd erhoben, kam sie zu sich. Hastig senkte Stevie sie und wich einen unsicheren Schritt zurück. Sein bittender, flehender, unglaublich trauernder Blick traf sie bis ins Mark. Und er vernichtete mit einem brachialen Schlag jede noch verbliebene Hoffnung, dass es sich hierbei bloß um einen besonders miesen Albtraum handelte, aus dem sie demnächst erwachen würde. Benommen schüttelte sie den Kopf. »Aber ... das kann nicht sein! Es ging ihm so gut! Wir haben getanzt.« Ihr panischer Blick irrte durch den Raum, möglicherweise auf der Suche nach jemandem, der ihr erklärte, was sie niemals begreifen würde.
    Niemand außer ihnen befand sich im Raum, deshalb sah sie irgendwann erneut zu Michael. Der sah mit dieser verzweifelten Bitte in den Augen zu ihr auf, die sie nicht ertragen konnte. »Er schien doch gesund! Wir haben getanzt!«
    Mühsam schluckte er, und als ihre Knie plötzlich nachgaben, griff sie nach Halt suchend zur Tischkante.
    Victor Rogers war tot!
    Diese Katastrophe würde sie nicht verkraften. Aus! Schluss! Ende!
    Ja, sie kannte ihn erst seit wenigen Monaten, aber durch die Arbeit für die Stiftung waren sie sich sehr nahegekommen. Für Stevie war er beinahe zum zweiten Vater geworden, so lieb und verständnisvoll, immer mit einem offenen Ohr und diesem gütigen Lächeln, wenn sein Blick auf sie fiel. Bei ihm und ausschließlich bei ihm hatte sie immer geglaubt, er würde sie auch ohne Worte verstehen. Und jetzt war er einfach so verschwunden. Nicht einmal verabschieden durfte sie sich! Nichts war ihr geblieben, nur noch ein Scherbenhaufen ... Das erste Schluchzen erschütterte sie. Alles, aber nicht das! Nicht das!
    Ihr Weinen schien Michael aus seiner Starre zu lösen. Sein Kopf bewegte sich nach links und rechts und links ... Eine ewige, sich wiederholende Verneinung. Behutsam tastete er nach Stevies Hand und zog sie an sich.
    Dankbarkeit flutete sie, denn sie hatte ihn nie zuvor mehr gebraucht als in dieser schier unfassbaren Situation. Im nächsten Moment sank sie in seine Umarmung, ihre Arme legten sich um seinen Hals, Tränen liefen über ihre Wangen und immer wieder gelang es ihr nur, das eine zu sagen. Es erschien ebenso richtig oder falsch, wie alles andere, was man in einem derartigen Augenblick von sich geben konnte.
    »Oh Gott, es tut mir so leid!«
    * * *
    M ichael hatte immer gewusst, dass er seine Eltern irgendwann zu Grabe tragen würde. Jedenfalls, wenn die Dinge ihren natürlichen Lauf nahmen. Sicher meinte er, darauf vorbereitet zu sein, davon ging wohl jeder Mensch aus. Nur leider machte er soeben die grauenhafte Erfahrung, dass dies nicht zutraf. Nichts und niemand hätte ihn für diesen Verlust rüsten können.
    Seit drei Uhr nachts befand er sich auf den Beinen, musste zwischenzeitlich zusehen, wie sein toter Vater abgeholt wurde und der Hausarzt Dr. Burn erschien, um seiner

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