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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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Mutter Beruhigungsmittel zu verabreichen. Er hatte bereits mit dem Beerdigungsunternehmen gesprochen, das die Familie seit Generationen im Trauerfall betreute, hatte eine in Tränen aufgelöste Mrs. Smith getröstet und schweigend mit Diana das Bett seiner Eltern ab- und neu bezogen, damit seine Mom sich hinlegen konnte. Die weigerte sich nämlich standhaft und mit einem leichten Hauch zur Hysterie, in ein Gästezimmer zu gehen, und Mrs. Smith erwies sich derzeit als nicht in der Lage, auch nur den winzigsten Handschlag zu bewerkstelligen.
    Währenddessen wollte Michael ausschließlich eines: zu Stevie.
    Wie gern hätte er die Arme um sie gelegt, das Gesicht in ihrem Haar vergraben und sie nicht eher losgelassen, bis es ihm besser ging. Wann immer das auch eintreffen sollte. Doch er hatte noch über drei Stunden bis zu ihrem Erscheinen überstehen müssen.
    Inzwischen schlief seine Mutter endlich. Diana hatte sich daran gemacht, all die Dinge zu veranlassen, die in einem solchen Fall getan werden mussten, und Michael hatte hinter seinem Schreibtisch gesessen und gewartet.
    Reglos, kaum noch des Atmens fähig, wie eine Bombe, die drohte, bei der geringsten Bewegung endgültig hochzugehen und alles in der Nähe Befindliche mit in den Abgrund zu reißen.
    Jetzt wollte er Stevie nicht mehr bloß, nein, zwischenzeitlich brauchte er sie. Und diese gravierende Veränderung konnte man doch nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, oder?
    Doch als sie dann endlich – endlich - eintraf, ignorierte er sie verbissen.
    Mit einem Mal misstraute er sich, ahnte, dass er mehr tun würde, als sie zu umarmen, kam er ihr jetzt zu nahe. Zu viel tobte in ihm, das dringend nach Entfesselung verlangte. Hätte er ihr Gesicht gesehen, nur ihre Gestalt, wäre alles aus ihm herausgebrochen, er unter Garantie zu ihr gestürzt, hätte sie an sich gerissen und ... All die albernen Benimmregeln, die zwei Stunden am Freitag oder der geringfügige Umstand, dass Stevie glaubte, ihn nicht zu wollen, interessierten nicht länger. Die Sehnsucht war zu groß, sie zu spüren und mit ihrer Hilfe alles zu vergessen, was ihm im Moment das Atmen so verdammt erschwerte, das war alles, was er wollte.
    Aus seinem penetranten Hirn verbannen, dass er seinen Vater nie wieder sehen würde. Von sich schieben, dass plötzlich in ihm Leere herrschte. Auch dieser wütende Schmerz sollte dringend verschwinden. Michael fühlte sich ihm ohnmächtig ausgeliefert, zu schwach, um ihn erfolgreich zu bekämpfen. Und er ahnte, dass er ihn ab jetzt an jedem Tag seines verbliebenen Lebens fühlen würde. Zugegeben hätte Michael es nie, aber allein die Vorstellung bereitete ihm unerträgliche Angst. Momentan konnte er sich nicht annähernd ausmalen, auch nur eine Stunde mit all dem zu leben, ohne wahnsinnig zu werden.
    Aber er hatte sich seinen Verstand zumindest weit genug bewahrt, um zu wissen, dass er dem nicht nachgeben durfte, was er so dringend wollte. Deshalb konzentrierte er sich auf die Maserung im Holz seines Schreibtischs und versuchte verzweifelt, sie zu ignorieren. Das funktionierte auch relativ gut. Es gelang ihm sogar, sie anzusehen und ihr die jüngsten Ereignisse wenigstens grob zu umreißen.
    Bis sie die Fassung verlor. Das war Michaels persönlicher Overkill. Der kündigte sich bereits seit Stunden an und mit jeder Minute hatte er dem weniger entgegenzusetzen.
    Nie zuvor in seinem Leben hatte Michael sich derart hilflos gefühlt. Er zog sie auf seinen Schoß und registrierte mit grenzenloser Erleichterung und dennoch nur am äußersten Rande seines beeinträchtigten Bewusstseins, dass sie ihn freiwillig umarmte. Denn sobald er sie spürte, schienen sich tausend Steine gleichzeitig von seiner Seele zu lösen. Er durfte ein wenig befreiter atmen, der Druck auf seiner Brust nahm etwas ab und es gelang ihm sogar, die Augen zu öffnen.
    Tatsächlich, nicht nur zum Schein.
    Zum ersten Mal stellte er sich visuell einer Welt, in der sein Vater nicht mehr existierte, und er hätte niemals gedacht, dass ein Anblick so schmerzlich sein konnte. Doch als sie ihre heiße Stirn an seine Schulter lehnte, verblassten die Qualen ein wenig. Auch legte sich der unbändig geglaubte Wunsch seiner Hand, sich sofort, und zwar um jeden Preis, unter diesen verhassten Rock zu stehlen oder unter ihre Bluse, irgendwohin, wo nur Stevie war – und sonst nichts.
    Vollständig verschwand er nicht, trat nicht einmal sonderlich weit in den Hintergrund. Doch er war nicht länger so

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