Erstkontakt

künstliche Schwerkraft! Das alles befindet sich nun in unserer Hand!«
    »Das sind doch eher gute Neuigkeiten, Baines.«
    »Wenn nicht damit zu rechnen wäre, daß dieses Wissen mißbraucht wird, könnte ich Ihnen bedenkenlos zustimmen. Keine Schwierigkeiten mehr, große Materiallasten in den Orbit zu befördern. Hausfrauen könnten einfach einige Antigravitations-Scheiben unter den Kühlschrank heften und das Gerät mühelos in den Keller befördern. Aber was sagen Sie zu der Vorstellung, daß ich dazu imstande wäre, ganz New York City in den Himmel stürzen zu lassen? Oder ganz Maryland in ein Schwarzes Loch zu verwandeln?« Rimford blickte ihn abgespannt an. »Gott allein weiß, was die Botschaft sonst noch alles enthält, Harry. Aber ich finde, daß Sie oder Ihr Boß oder der Präsident lieber für die Vernichtung des Herkules-Textes sorgen sollten. Die darin enthaltenen Informationen würden uns nur ins Unglück stürzen.«
    Harry spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften. »Der Inhalt unterliegt doch bereits strengster Geheimhaltung«, sagte er.
    »Seien Sie kein Narr, Harry. Sie wissen genau, daß es nur eine Frage der Zeit wäre, bis das Geheimnis durchsickert. Oder gestohlen wird. Oder, am schlimmsten: bis man es anwenden würde. Am sichersten wäre es, die Informationen zu vernichten, solange noch alles unter Verschluß ist. Wenn die Daten überhaupt ordentlich unter Verschluß sind und niemand etwas aus dem Gebäude schmuggeln konnte.«
    »Sie meinen die anderen Kopien.«
    »Natürlich. Es könnte schon zu spät sein.«
    »Baines, Sie wissen, daß wir die Daten nicht einfach so zerstören können. Gambini würde es nicht zulassen. Rosenbloom bekäme einen Herzanfall. Und beide hätten recht. Der Herkules-Text ist eine Quelle von Wissen jenseits unserer Vorstellungskraft. Das können wir nicht so einfach wegwerfen!«
    »Warum nicht? Wir könnten nichts daraus lernen, was wir nicht ohnehin schon ahnen oder wissen. Bevor wir das zweite Signal empfangen haben, hat Hurley es in seiner Rede auf den Punkt gebracht. Er sagte, die Altheaner hätten uns gezeigt, daß wir nicht allein sind. Nur das zählt. Der Rest besteht aus Details.« Er aß die Waffeln auf, leerte die Kaffeetasse und winkte nach der Rechnung.
    »Ich habe für heute morgen einen Flug gebucht, Harry. Wenn Sie den Herkules-Text vernichten und dabei erwischt werden, oder wenn Sie es unverhohlen tun und ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, können Sie sagen, ich hätte Ihnen zu diesem Schritt geraten. Soweit unterstütze ich Sie. Ich würde allen sagen, Sie hätten das Richtige getan.«
     
    Harry legte die sechs CD-RWs in die unterste linke Schreibtischschublade und deckte sie mit einer Zeitung ab, als ob er die Datenträger auf diese Weise besser vor einem möglichen Diebstahl schützen könnte. Dann verschloß er die Schublade, starrte sie einige Minuten an, stand auf und ging hinüber zum Forschungslabor; die Diskette mit dem Virus hatte er in der Jackentasche.
    Es war kurz vor sechs Uhr morgens. Nur Majeski und zwei Techniker waren im Raum, als Harry eintrat. Cord sah auf, nickte ihm zu und vertiefte sich sogleich wieder in die Arbeit.
    Harry wäre nie ernsthaft auf den Gedanken gekommen, die Herkules-Aufzeichnungen selbst zu vernichten. Aber er vermochte der Versuchung nicht zu widerstehen, die Räumlichkeit in Augenschein zu nehmen und zu ergründen, auf welche Weise er es möglicherweise würde bewerkstelligen können. Er wußte, daß offiziell sechs komplette Kopien existierten. Hinzu kämen alle Daten auf den Festplatten der verschiedenen Rechner. Vier der Kopien lagerten in einem Aktenschrank. Majeski arbeitete mit der fünften, und einer der beiden Techniker beschäftigte sich mit der sechsten.
    Wie schwierig wäre es?
    Zuerst würde er die vier Kopien im Aktenschrank vernichten. Dazu müßte er jede CD-RW einzeln löschen, doch würde der Virus seine zerstörerische Arbeit überhaupt augenblicklich aufnehmen, oder würde das mehr Zeit in Anspruch nehmen? Vielleicht eine Minute pro Disk, schätzte Harry. Also sieben oder acht Minuten für jede der Kopien. Insgesamt folglich etwa eine halbe Stunde.
    Dann müßte er irgendwie an die beiden verbliebenen Kopien gelangen. Vielleicht würde Majeski oder einer der Techniker die Toilette aufsuchen. Nein, dann müßten schon alle Männer gleichzeitig den Raum verlassen, was höchst unwahrscheinlich war. Zudem müßten sie mindestens eine halbe Stunde fortbleiben.
    Um alle Daten zu vernichten,