Erstkontakt
zu verstehen.«
»Jack, ich will ganz ehrlich zu dir sein, ich finde dieses ganze Geschäft sehr unangenehm. Ich war immer überzeugt und habe geglaubt, daß wir alleine sind. Wahrscheinlich gibt es dort draußen Milliarden von erdähnlichen Welten. Gibt man einmal eine zweite Schöpfung zu, dann muß man sich fragen, wo hört es auf? Bestimmt gibt es unter all diesen Sternen auch noch eine dritte Welt. Und eine Millionste. Wo endet das?«
»Na und? Gott ist allmächtig und unendlich. Vielleicht sind wir jetzt im Begriff zu erfahren, was das wirklich heißt.«
»Vielleicht«, sagte Wheeler. »Aber wir sind auch dazu erzogen, die Kreuzigung als zentrales Ereignis unseres Glaubens zu betrachten. Das höchste Opfer, von Gott selbst dargeboten in Liebe zu der Kreatur, die er nach seinem Ebenbild geschaffen hat.«
»Und …?«
»Wie können wir einen Gott ernst nehmen, der seine Passion wiederholt? Der wieder und wieder stirbt, in unzähligen Variationen auf zahllosen Welten, überall in einem Universum, das an sich schon grenzenlos und unendlich ist?«
Nachdem Peoples erschöpft zu Bett gegangen war, wanderte Wheeler durch das Pfarrhaus, betrachtete die Buntglasfenster, blätterte in Büchern und stand für eine Weile draußen vor der Tür. Die nasse Straße glänzte von den Lichtreflexen eines Rexall Drugstores.
Die Kirche war in einem Stil erbaut, den Wheeler als Ohiogotik bezeichnete – kompakt, städtisch, rechteckig, ziegelfest. Lämmer und Tauben und kniende Frauen zierten die Buntglasfenster. Das Pfarrhaus stand im rechten Winkel zum größeren Bauwerk. Zwischen den beiden Gebäuden befand sich ein eingezäuntes Stück Gras. Das Grab eines früheren Pastors befand sich in seiner Mitte, markiert durch ein roh behauenes Steinkreuz.
Die Wolken hatten sich verzogen, und eine Handvoll Sterne stand über dem Kirchturm. Der Himmel im Osten hinter den Lagerhäusern begann, sich aufzuhellen.
Warum ist die Schöpfung so groß? SKYNET blickt etwa sechzehn Milliarden Lichtjahre weit hinaus, bis zur Roten Grenze, dem Rand des sichtbaren Universums. Aber es ist nur in dem Sinne ein ›Rand‹, weil noch nicht genug Zeit verstrichen ist, als daß Licht von jenseits dieser Linie die Teleskope der Erde hätte erreichen können. Es gibt gute Gründe, anzunehmen, daß ein Betrachter an dieser Roten Grenze in etwa den gleichen Sternenhimmel sieht, wie er sich über Virginia aufspannt. In gewissem Sinne, so dachte Wheeler, befindet sich auch Sankt Katharinen in diesem Augenblick am Rand eines für jemand anderen unsichtbaren Universums.
Wheeler kehrte wieder ins Haus zurück, verschloß die Tür und wanderte durch den Verbindungsgang in die Kirche und durch die Sakristei, aus der er in nächster Nähe der Kanzel wieder auftauchte.
Der Schein des ewigen Lichts fiel auf lange Reihen Kirchenbänke. Sicherheitslämpchen im hinteren Teil beleuchteten Weihwasserbecken und die Stationen des Kreuzwegs. Er konnte immer noch die abgewetzten Stellen auf dem Marmorfußboden sehen, wo damals, in den Tagen der tridentinischen Messe, die Figuren gestanden hatten. Der alte Marmoraltar war seitdem natürlich auch schon längst entfernt worden und durch den modernen Metzgerklotz ersetzt worden, der in allen alten Kirchen hinsichtlich des Dekors und der Architektur in schmerzhaftem Gegensatz stand. Er stieg durch das Altargitter nach draußen, machte eine Kniebeuge und setzte sich in die vorderste Kirchenbank.
Die Luft war schwer und süßlich und vom Geruch geschmolzenen Wachses erfüllt. Hoch oben hinter dem Altar in einem runden bunten Fenster saß Jesus an einem fließenden Bach.
Er war jetzt weit weg, eine gemalte Gestalt, ein Freund aus der Kindheit. Als Junge hatte Wheeler gelegentlich, im Überschwang seiner Jugend, um ein Zeichen gebeten, nicht um seinen Glauben zu erhalten, sondern als Ausdruck einer besonderen Gunst. Aber Jesus Christus war damals stumm geblieben, genau wie in diesem Moment. Wer war mit den zwölf Aposteln am Jordan entlanggewandert? Viel zu oft, dachte Wheeler, habe ich durch die Teleskope geschaut. Und ich habe nur Steine und die Lichtjahre gesehen.
O Herr, wenn ich an dir zweifle, dann wahrscheinlich nur, weil du dich so gut verbirgst.
Etwa zum gleichen Zeitpunkt war Linda Barrister im Operationszentrum damit beschäftigt, ein Kreuzworträtsel zu lösen. Sie war darin ziemlich gut, und es half ihr, geistig verhältnismäßig wach zu bleiben, während ihr Körper nach Schlaf verlangte. Sie versuchte
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