Erstkontakt
Wiener Vorhänge hinter ihm verhüllten eine Glasvitrine, die das Hologramm eines Briefs von John Wyclif an einen bisher unbekannten Adressaten enthielt, worin er seine Absichten kundtat, eine englische Übersetzung von der Bibel zu erstellen. Dieser Brief war erst vor einem Monat in einem alten Koffer in London entdeckt worden, der zum Nachlaß eines Bekleidungsfabrikanten gehörte, der niemals gewußt hatte, daß er so etwas besaß.
Auf dem Podium legte Packard eine kurze Pause ein, gestattete Townsend Harris, nach seinen Grußworten wieder seinen Platz aufzusuchen, und nutzte die Zeit, um seinen Text noch einmal zu überfliegen und weitere Spannung aufzubauen. Als er den Blick wieder hob, verblüffte ihn, daß Allen DuBuay aufgestanden war. »Ehe wir anfangen, Arleigh«, sagte er in einem um Verständnis bittenden Ton, »wollte ich fragen, ob wir kurz über eine andere Angelegenheit von erheblicher Dringlichkeit reden können.«
Ein gewisse informelle Haltung im Umgang miteinander war schon immer das Wahrzeichen der Karolinger gewesen; aber sie waren nicht bereit, offene Dreistigkeit zu ertragen. Olson, in der ersten Reihe, murmelte etwas von Philistern, und ein paar andere drehten sich mit einem Ausdruck offenen Unmuts zu DuBuay um. Packard, der seine Fassung wahrte, biß kaum wahrnehmbar die Zähne zusammen, neigte gnädig den Kopf und trat neben das Rednerpult.
DuBuays Teint war seltsam fleckig, vielleicht durch das Sonnenlicht, das durch die bunten Glasfenster drang (die von einer Darstellung von Beatrix von Falkenburg beherrscht wurden). Seine schütteren Haare waren zerzaust, seine Krawatte hing schief, und seine mageren Fäuste hatte er tief in die Taschen seines Tweedsakkos gerammt. »Ich bedaure es sehr, Dr. Packard zu unterbrechen, und Sie alle wissen, daß ich es niemals ohne gewichtigen Grund tun würde«, sagte er, während er sich zum Mittelgang durchdrängte und dann mit schnellen Schritten nach vorne kam und vor die Versammlung trat.
»Setzen Sie sich, DuBuay!« brüllte eine Stimme von links, die jeder als die von Harvey Blackman erkannte, eines Paläontologen der Universität von Virginia, dessen Interesse an den Karolingern eher sozialer als fachlicher Natur war. Er hatte eine gewisse Leidenschaft für ein anderes Mitglied entwickelt, eine Antiquitätensammlerin von der Temple.
Art Hassel, der Spezialist für Friedrich Barbarossa, stand ebenfalls auf. »Dies ist wohl kaum der Zeitpunkt für politische Aktionen!« sagte er zornig, woraufhin jeder der Anwesenden erkannte, daß Hassel bereits versucht hatte, DuBuay von seiner Demonstration abzuhalten.
»Meine Damen und Herren«, begann DuBuay und hob die Hände in einer besänftigenden Geste. »Ich habe bereits mit vielen von Ihnen persönlich gesprochen. Und wir alle hegen gewisse Befürchtungen hinsichtlich der Ereignisse der letzten Tage. Der Herkules-Text gehört uns allen, nicht nur einer Regierung. Vor allem einer Regierung, deren Absichten man nicht trauen kann. Wenn jemand die Bedeutung dieser Stunde richtig erfaßt, dann sind gewiß wir diejenigen …«
»Setzen Sie sich, DuBuay«, forderte Harris. »Sie haben ja den Verstand verloren!«
»Ich würde gerne den Vorschlag machen, daß wir eine gemeinsame Erklärung abgeben …«
»DuBuay!«
»… in der wir die derzeitige Position der Regierung kritisch …«
Jemand faßte nach seinem Ärmel und versuchte ihn wegzuziehen.
Everett Tartakower, der rechts saß, erhob sich majestätisch. Er war ein hochgewachsener, ergrauter Archäologe von der Ohio State. »Einen Moment.« Er wies mit einem langen, leicht gekrümmten Finger auf Townsend Harris. »Ich bin mit Dr. DuBuays Auftritt auch nicht unbedingt einverstanden, Harris. Aber sein Vorschlag hat etwas für sich.«
»Dann soll er ihn dem Organisationskomitee vorlegen!« schoß Harris zurück.
»Um wann diskutiert zu werden? Nächstes Jahr?«
Grace McAvoy, Kuratorin des University Museum, dachte laut darüber nach, ob es nicht sinnvoller wäre, erst einmal einen Sinn in den Text zu bekommen, ehe man mit der Diskussion fortfuhr.
Diese Bemerkung löste eine Serie von Hochrufen auf der linken Seite aus. Radakai Melis aus Bangkok sprang auf die Bühne und bat um Ruhe. Er klagte die Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten und deren Rolle bei der Ausbeutung der unterentwickelten Völker an.
Harris zog Melis von der Bühne und drehte sich um und warf Packard einen flehenden Blick zu, endlich mit seinem Vortrag zu beginnen. Doch eine
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