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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Lektion über Pluralformen -der Schlüssel zu allen anderen hier verborgenen Geheimnissen sein? Ist es das, was Liam meinte?«
    »Womit meinte?«
    »Nachdem er mir das Rätsel aufgegeben hat, sagte er: >Wenn du es löst, findest du Antworten auf Fragen, die dich bislang gequält haben.< «
    Ruby stützte den Kopf auf den Händen auf und sagte: »Ich bin so müde, ich könnte heulen.«

    Ich dachte, ich sei ebenfalls müde. Aber nachdem ich zwei Stunden still im Bett gelegen hatte, stand ich wieder auf. Ruby war auf Anhieb eingeschlafen, eine Fähigkeit, die ich sehr bewundere.
    Als ich einmal eine besonders unruhige Nacht hatte, riet sie mir: »Mach es dir bequem und denke an eine Zeit zurück, als du etwas so Schreckliches getan hast, daß du am liebsten im Boden versunken und gestorben wärst. Du wirst auf der Stelle einschlafen. So mache ich’s.« Bei mir hat dieses Rezept allerdings nie funktioniert. Vielleicht bin ich wegen all der schrecklichen Dinge, die ich in meinem Leben schon getan habe, dazu verdammt, ewig zu leben.
    Ich berührte Rubys warmes, zartes Gesicht. Ich beneidete sie darum, wie sie dort im Bett lag, zusammengekuschelt auf der Seite, der sich sanft hebenden und senkenden Schulter zu den ruhigen Atemzügen eines tiefen Schlafs, selbst wenn er mit einem Todeswunsch herbeigeführt worden war.
    Ruhig und ohne Licht zu machen zog ich mich wieder an, ließ nur die Kappe liegen. Ich ging zur Kommode hinüber und tastete nach Schüssel, Seife und Handtüchern. Ich wusch mir das Gesicht. Dann ging ich zur Tür und rechnete schon fast damit, sie verschlossen vorzufinden, als wären wir Snoodys Gefangene, und öffnete sie gerade weit genug, um auf den Flur zu schlüpfen.
    Das sehr alte, sehr große Haus machte seine nächtlichen Geräusche. Die Treppe arbeitete und knarrte. Eine Maus huschte über die Eichendielen des Flurs. Ein alter, tropfender Wasserhahn irgendwo unten schickte Echos durch die abgestandene, schwarze Luft herauf. Fledermäuse scharrten auf der Suche nach Insekten mit ihren gefalteten Flügeln über Innenwände.
    Ich drückte mich flach gegen eine Wand und glitt wie ein Einbrecher durch die Dunkelheit, achtete darauf, meine Schritte so dicht wie möglich an die Wand zu setzen, wo es unwahrscheinlich ist, daß der Boden unter dem Fuß nachgibt. An jeder Tür blieb ich stehen, lauschte hinein, versuchte dann den Türknauf. Nichts war abgeschlossen. Aber eine Tür nach der anderen öffnete sich nur auf leere Räume und weitere hohle, nächtliche Geräusche.
    Ich ging zur Treppe und machte ein paar Schritte nach oben, hielt dann inne und überlegte es mir anders. Onkel Liam benutzte einen Rollstuhl, aber auch wenn es im Haus einen Aufzug gab, würde sein Schlafzimmer doch wahrscheinlich im Erdgeschoß liegen. Also kehrte ich um und machte mich langsam auf den Weg nach unten.
    Kurz bevor ich das Fußende der Treppe zur Halle erreicht hatte, erfuhr ich, daß meine Entscheidung richtig gewesen war. Ich hörte die leisen Klänge eines Radios und folgte ihnen in den kleinen, muffig riechenden Salon, in den Liam mich hatte rufen lassen, um sein Rätsel zu hören; wo er mir den geheimen Schlüssel gegeben hatte, meine leeren Stellen zu füllen, in Eile, da Patrick Snoody den Weg hinter dem Haus heraufkam.
    Ich flüsterte in die Finsternis. »Onkel -?«
    Da war nur der undeutliche Klang eines Radios, des alten »Radioapparats«, wie Liam ihn nannte. Ich trat weiter in den dunklen Salon, war mir der strengen Ölporträts unbekannter irischer Gents bewußt, die ohne ein Lächeln zu mir herabstarrten, und hoher Schränke voller Bücher und nicht mehr benutzter Möbel, die an jede freie Stelle gezwängt worden waren, als wäre alles gefangen in einem gigantischen Spinngewebe.
    Dann sah ich das bernsteinfarbene Licht der Einstellskala des Radios. Und roch den stechenden Rauch einer Zigarette. Ich bewegte mich zum Licht weiter und hörte, wie mein Name geflüstert wurde.
    »Neil, bist du das, Junge -?«
    Billie Holiday sang »Gloomy Sunday« im Radio, das so leise gedreht war, daß ich vier Schritt weiter entfernt den Song nicht hätte erkennen können. Mein Onkel lag ausgestreckt auf dem Rücken auf der kastanienbraunen Roßhaarcouch, die Hände auf dem Bauch gefaltet. Daneben stand sein Rollstuhl. Auf einem niedrigen Beistelltisch neben ihm befanden sich ein Aschenbecher und ein Päckchen Silk Cut.
    »Woher hast du die Zigaretten?« fragte ich.
    »Vergiß es, ich habe so meine Quellen«, sagte er.

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