Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
Vom Netzwerk:
»Steck mir eine an, und nimm dir auch eine, wenn du den Mund halten kannst.«
    Ich griff nach Päckchen und Streichhölzern und steckte zwei Zigaretten an. Liam nahm seine und schnupperte den Rauch, bevor er sie zwischen die Lippen steckte. Er inhalierte, hustete und brummte: »O verdammt, das ist gut.« Ich setzte mich ans Fußende der Couch.
    »Wie ich sehe«, sagte Liam, »bist du ein Mann, der gern nachts herumschleicht.«
    »Ich habe meine Gründe. Einer davon ist, daß ich an dem Rätsel arbeite.«
    »Ist schon eine richtig quälende Denksportaufgabe, was? Ich kenne nicht viele, die es schnell beantworten können.«
    »O ja - den leichten Teil habe ich herausbekommen.«
    »Den leichten Teil?«
    »Ein Auge, zwei Pflaumen. Es ist der Rest, der mich nachts herumschleichen läßt.«
    »Ich glaube, ich kann dir jetzt nicht ganz folgen, Junge.«
    »Doch, ich denke schon.«
    »Ist das so?«
    »Ich bin wie der Mann in deinem Rätsel, stimmt’s nicht, Onkel? Ich darf nicht vergessen, daß nur eines meiner Augen schlecht ist - daß dies aber nicht bedeutet, ich sei blind. Außerdem, wenn ich zum Beispiel einen Pflaumenbaum ansehe, dann ist es nützlich, sich daran zu erinnern, daß selbst die einfachsten Dinge mehr oder weniger sein können, als sie erscheinen.«
    Liam paffte wieder an seiner Zigarette und lachte leise, als er sagte: »Aye, das können wir alle daraus lernen. Du bist erheblich aufgeweckter, als du aussiehst, Junge.«
    »Das sagt Ruby auch.«
    »Ich glaube, es liegt vielleicht an deiner Baseballkappe. Das alberne Ding hat mich irritiert. Ich denke immer, viel Grips kann in einem Kopf deines Alters nicht stecken, wenn er bedeckt ist von dem Attribut eines Kleinjungenspiels.«
    »Wenn du glaubst, Baseball sei ein Spiel für Kinder, dann verstehst du überhaupt nichts von Amerika.«
    »Tatsächlich, Neil, bin ich einmal zu einem Baseballspiel gegangen, vor vielen, vielen Jahren, als du noch ein kleiner Knirps warst. Deine Mum hat dich bei einer Nachbarin gelassen, und ich bin mit ihr zu den Polo Grounds gegangen, um die Giants spielen zu sehen.«
    »Hat dir das Spiel gefallen?«
    »Tut mir leid, ich glaube nicht. Es ist ein rein amerikanischer Sport, bei dem es um unendlich viel Zeit, Zufall und Ausgleich geht. Daher ist das Spiel für den Europäer nicht nachvollziehbar.«
    »Du verstehst das Spiel besser, als du glaubst.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Aber liebend gern würde ich New York wiedersehen.«
    »Gleichfalls.«
    »Hörst du, was im Radioapparat gespielt wird?«
    Billie hatte das übersprudelnde, mitreißende »Let’s Call the Whole Thing Off« beendet und machte nun mit dem übellaunigen »Moaning Low« weiter. Soweit es mich betraf, waren beide Stücke ein gewaltiger Fortschritt gegenüber dem selbstmörderischen »Gloomy Sunday«, das ich in Liams modriger Gruft von einem Salon überhaupt nicht gern hörte.
    »Das ist ein sehr guter Sender«, sagte ich. »Heute wird nur Holiday gespielt, nehme ich an? Als ich das letzte Mal hier war, haben sie nur Stan Getz gebracht.«
    »Wir können von Glück reden, ein solch schönes Unterhaltungsprogramm zu haben. Wir bekommen die beste amerikanische Musik, Neil, haben sie schon immer gehört.«
    Liam streckte einen Arm über das Radio und klopfte dankbar darauf. »Und ich meine, das war schon so, als deine Großmutter Finóla deinem Dad und mir genau diesen Radioapparat hier gegeben hat. Was ich dir ja erzählt habe. Hier ist er nun, all die vielen Jahre später, und immer noch liege ich im Dunkeln und lausche weit entfernten Stimmen.«
    »So ist es für dich und meinen Vater gewesen, mit dem Radio im Dunkeln?«
    »Genau so, Neil. Einschließlich der geschmuggelten Zigaretten. Wir hatten die gute, melancholische Musik, und wir träumten davon, was wir als Männer tun würden. Manchmal hat uns das bis zu den ersten Lichtstrahlen wach gehalten.«
    »Was hält dich heute nacht wach, Onkel?«
    »Ich gestehe, die Musik hier läßt mich an wunderschöne junge Damen wie deine eigene Bonny denken. Und an die Ironie all dieser lächelnden amerikanischen Mädchen in euren traurigen, häßlichen, schmutzigen und wundervollen Städten. Dein Daddo, bei Gott - er liebte New York so sehr.«
    »Liegst du hier oft so mitten in der Nacht?«
    »Aye, ich bin ein alter Krüppel, der viel zuviel Ruhe hat.«
    »Wovon träumst du am meisten?«
    »Von meiner eigenen Jugend. Gott, was würde ich alles dafür geben, diese Beine zu heben und mit Bonny ein Tänzchen aufs

Weitere Kostenlose Bücher