Ertränkt alle Hunde
kämpften.
Schließlich gab ich es auf. Als ich die Augen wieder öffnete, starrte Ruby mich an.
»Paßt du auch auf die Straße auf?« fragte ich sie.
»Ich schätze, ich kann so weit sehen, wie’s nötig ist«, erwiderte sie und warf eine oder zwei Sekunden einen Blick auf die Straße vor uns. Dann sah sie mich wieder an. »Und, hast du von mir geträumt?«
»Was gibt’s da zu träumen? Du bist hier.«
»Ja, bin ich. Mit Grübchen und allem.«
»Was?«
»Zu Hause in New York, als ich an deinem Geburtstag mit dir essen war, da hast du mir gesagt, du liebst das Grübchen in meinem Kinn.«
»Ich erinnere mich dunkel.«
»Erinnerst du dich auch noch an deinen Heiratsantrag?«
»Ich wünschte, du würdest mehr auf die Straße achtgeben.«
Ruby schaute nicht fort. »Du hast es dann so gedreht, als wär’s nur ein Scherz gewesen, aber wir wußten es beide besser. Also, das war dein erster Antrag. Erinnerst du dich noch an den zweiten?«
»Du bist eingeschlafen.«
»Ich habe gesagt, ich komme drauf zurück.«
»Ja, hast du. Es regnet, um Himmels willen. Würdest du bitte mal auf die Straße schauen?«
»Ich weiß, wohin wir steuern. Du auch?«
»Müssen wir jetzt darüber reden? Um uns herum fallen Leichen wie Ahornblätter im Oktober, und um ein Haar wäre ich selbst dabeigewesen. Wir sind auf der Flucht vor den Cops und fahren einen alten VW, der jeden Augenblick liegenbleiben kann. Und mein alter Herr ist... ich weiß nicht, was, ein Nazi.«
»Das Leben kann manchmal stürmisch sein.«
»Himmel, ja.«
»Es gibt die Ruhe im Zentrum des Sturms.«
»Womit du dich meinst?«
Ruby lächelte, schaute auf die Straße und sah dann mich wieder an. »Ich sag’s ja wirklich ungern, aber ruhig zu bleiben ist die Aufgabe der Frau. Männer taugen bei solchen schwierigen Aufgaben nicht besonders viel.«
»Ich verstehe, warum du’s so ungern sagst.«
»Erzähl mir noch mal das mit meinem Grübchen.«
»Vorher sagst du mir, wie es deiner Meinung nach sein würde, wenn du dich mit einem Cop zusammentust.«
»Was gibt’s da zu wissen, das ich nicht ohnehin schon weiß, Hock? Ich weiß, daß du schnarchst, wenn du mit offenem Mund auf dem Rücken liegst.«
»Ich war schon einmal verheiratet. Ich muß einfach immer wieder denken, wenn ich’s noch mal mache, dann wär ich nicht besser als der Spinner, der auf dem Revier auftaucht und irgendein Verbrechen gesteht, von dem er in der Zeitung gelesen hat.«
»Gott, für einen Burschen, der auf dem Rücken schnarcht, bist du wirklich wahnsinnig romantisch.«
»Du gönnst mir keine Pause, stimmt’s?«
»Die hat O’Malley dir schon gegeben.«
»Tolle Pause. Wenn du nicht aufpaßt, fahren wir noch in den Straßengraben.«
»Nicht wenn ich höre, was ich hören will.«
»Okay, okay. Willst du mich heiraten, Ruby?«
»Vielleicht bringt dreimal Glück«, sagte sie.
Dann fuhr Ruby den VW an den Straßenrand und hielt an. Sie öffnete die Tür und stieg aus, ging um die Vorderseite des Wagens und zog die Beifahrertür auf.
»Du fährst jetzt«, sagte sie.
»Jetzt erzähl mir nicht, du wärst plötzlich wieder schläfrig geworden.«
»Rutsch hinters Lenkrad, Hock, und fahr einfach.«
Die nächsten dreißig Minuten fuhr ich, während die Frage in bedeutungsschwerer Stille im Raum hing. Als wir dann die lange Steigung hinauf in die grünen Wicklows begannen, ließ der Regen nach, und die Sonne tauchte als frischer, orangefarbener Ball in dem reingewaschenen Himmel des frühen Nachmittags auf. Und über die Straße, auf der wir fuhren, spannte sich von dem Gipfel auf unserer Linken bis zu dem Gipfel auf unserer Rechten ein perfekter irischer Regenbogen.
»Es heißt, es liegt Gold am Ende eines Regenbogens«, sagte Ruby.
»Hat aber nie einer erwähnt, an welchem Ende«, erwiderte ich.
42
Zweimal hatte ich dieses alte Haus in meinen neuen Träumen gesehen. Auf einem Hügel oberhalb der niedrigen sheepeen, seine kalten, glatten Wände und Buntglasfenster. Über sein Inneres wußte ich nichts, aber das Äußere hatte ich gesehen, und das nur im nebligen Mondschein.
Jetzt war es kurz vor Sonnenuntergang. Jetzt war ich zum dritten Mal hier. Jetzt war ich im Inneren des aus Granit errichteten Herrenhauses.
Ruby und ich traten durch ein mit Schiefer ausgelegtes Vestibül, dann weiter in eine lange und sehr dunkle Eingangshalle mit einer Sammlung verschieden großer Läufer, die Ende an Ende in der Mitte des Bodens lagen. Es roch nach Tabak, schalem Bier und
Weitere Kostenlose Bücher