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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Es gab zwei Stühle mit zerrissenen Seidenbezügen, einen kleinen runden Tisch, auf dem vergilbte Taschenbücher gestapelt waren, und eine in der Mitte stark durchgesessene Couch, als hätte sich ein fetter Bursche zwanzig Jahre lang jeden Tag mit einem Haufen Ziegelsteinen auf dem Schoß dorthin gesetzt. In dem angrenzenden Zimmer befanden sich eine Kommode und ein Kleiderschrank, beide mit angeschlagenem Furnier, sowie ein Bett, in dem besagter Fettsack geschlafen hatte. Der Putz an Decke und den meisten Wänden blätterte unter braunen Wasserflecken ab.
    Der Balkon allerdings war, wie Roarty versprochen hatte, wunderbar. Ich trat hinaus und sah hinter der sheepeen am Fuß des Hügels den Bach, der sich hinter einer Biegung mit dicken Tannen in Kaskaden ergoß. Die dunkel werdenden Wicklows zeichneten sich brütend am Horizont ab. Hier und da lagen Felsblöcke im kalten, reißenden Wasser, überzogen mit weißlichem Gras wie Klavierdeckchen, genau wie in meinen Träumen. Fast schon rechnete ich damit, Davy Mogaill zu sehen, der eine Pfeife rauchte und im Abendnebel seiner Brenda zurief, genau wie im Traum.
    »Gefällt’s Ihnen?« fragte Annie.
    Ich wendete mich von der Aussicht auf den Bach ab. Annie stand neben Ruby im Schlafzimmer direkt vor den Türen auf den Balkon. Ruby sah mich an, sprach aber zu Annie. »Ja, wunderbar«, sagte sie.
    »Dann geh ich jetzt?« sagte Annie. Aber sie rührte sich nicht.
    Ich trat zurück ins Schlafzimmer und gab Annie eine Pfundnote. Dann zog ich einen weiteren Fünfer aus meiner Brieftasche. »Das hier ist für Ihre kostbare Zeit, wenn Sie mir etwas über dieses Haus erzählen.«
    »Was denn zum Beispiel, Sir?«
    »Wie zum Beispiel die Leere dieses Hauses. Ich habe das Gefühl, wir sind die einzigen Gäste.«
    »Nun, das ist auch so.«
    »Wie können Sie so existieren?«
    »Indem wir das Mobiliar aus dem Haus verkaufen, Jahr um Jahr«, erwiderte Annie und drehte den Fünfer in ihren Händen, als hätte sie schon eine ganze Weile keinen mehr gesehen. »Wie Sie ja selbst sehen, ist’s damit jetzt auch Schluß. Das ist so einfach wie traurig. Verkaufen kann ich Ihnen jetzt nur noch meine Probleme.«
    »Warum ist das Geschäft schlechter geworden?«
    »Das kann ich Ihnen auch nicht besser erklären als jeder andere in Tullow. Ich kann nur soviel sagen, daß heute die reichen Jäger aus Dublin ausbleiben, und sonst gibt’s ziemlich wenig Grund herzukommen. Das arme alte Tullow hat’s noch nie für nötig gehalten, sich an die neuen Zeiten der Welt da draußen anzupassen. Daher sehen Sie, was Sie sehen, ein zerfallendes altes Landgasthaus, das zuwenig gute, zahlende Gäste hat, um modernen Anforderungen zu genügen.«
    »Das hier war früher mal ein Jagdschloß?«
    »Aye, als es noch eine Bedeutung hatte. Unten gab es eine schöne, große Küche und einen Chefkoch, zwei Kühlräume für das erlegte Wild und einen herrlichen Speisesaal. Ach, wenn ich an die wunderbaren Festessen denke, die hier einmal ausgerichtet wurden.« Annie schob den Geldschein in eine Seitentasche ihres Rocks, legte dann die Hände auf ihre ausladenden Hüften und ließ den Blick über den Raum wandern, wobei ihre Augen an einem Wasserflecken hängenblieben, der sich von der Decke bis zur Fußleiste einer Wand herabschlängelte. »Es ist eine Schande, wie alles verfällt, aber was soll man machen? Es war allerdings mal ein prächtiges Haus, bevor die Welt schnellebig und scheußlich geworden ist.«
    »Seit wann ist es schon kein Jagdschloß mehr?«
    »Ach, fünf Jahre würde ich sagen. Bis vor einem Jahr sind die treuesten Gäste noch gekommen. Aber nur noch wegen des Schattens von vergangenem Komfort.«
    »Und davor war es ein Jagdschloß?«
    »Bis zu meiner Kindheit ist das hier ein Kloster gewesen. Die Mönche haben es übernommen, als die Engländer aus ihren vornehmen Herrenhäusern auf dem Land vertrieben wurden.«
    »Von denen dies eines war?«
    »Aye.«
    »Sie waren mir eine große Hilfe, Annie.«
    »War ich das, Sir?« Ebensoviel Neugier trat nun auf Annie Roartys Gesicht, wie ich Fragen in Rubys sah. Dann verdrängte etwas anderes, so was wie Furcht, die Härte in Annies Augen. Schnell sagte sie: »Ich geh jetzt besser. Nach der langen Reise brauchen Sie bestimmt etwas Ruhe.«
    Ruby begleitete sie zur Tür. Ich ging zurück auf den Balkon. Als Annie die Treppe hinunterging, schloß Ruby die Tür und verriegelte sie.
    Inzwischen war es beinahe ganz dunkel, und die Luft frischer als noch vor einer

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