Ertränkt alle Hunde
daß ich nicht drumherum kam. »In Ordnung«, sagte ich. »Als wir unser gemeinsames Eigentum aufgeteilt haben - beziehungsweise, was noch davon übrig war, nachdem das Queens County Civil Court ihr mein Haus und meine Lebensversicherung zugesprochen hatte, und sogar meinen kleinen Hund Buster...«
»Weiter.«
»Ich sehe mir also all diese irdischen Besitztümer an, und außer meinen Büchern war da nicht viel, auf das ich wirklich Wert legte. Was für Judy okay war. Die Cuisinart allerdings - die wollte ich behalten. Warum, kann ich dir auch nicht sagen.«
»Aber du hast sie nicht gekriegt?«
»Ich habe eine Hälfte bekommen.«
»Eine Hälfte? Wie teilt man eine Küchenmaschine?«
»Sie hat die Schneideeinsätze genommen, ich hab den Rest bekommen.«
Ruby dachte darüber nach, und als ihr die Sache in allen Einzelheiten klar geworden war, sagte sie sehr scharfsinnig: »Das ist ausgesprochen unheimlich.«
»Das ist sehr Judy.«
Deirdre und ihre sommerbesproßten Knie kamen vorbei. Ich rief sie zu mir heran und bestellte einen Drink. Ruby zeigte aus dem Kabinenfenster auf den heller werdenden Himmel und sagte: »Meinst du nicht, es wäre noch ein wenig früh?« Ich dachte über die wirkliche Zeit nach und antwortete: »Nicht in New York, da nicht.«
Und als ich dann schließlich aus einem Plastikbecher voller Eis Johnny Walker Red trank, brachte ich uns von dem leidigen Thema Judy McKelvey ab, indem ich das beunruhigende Thema Aidan Hockaday anschnitt. Ich erzählte Ruby von der Unterhaltung mit Davy Mogaill oben in der Bar in Inwood und von der zweiten mit Father Tim nach der Messe an diesem Nachmittag in der Holy Cross.
Jetzt, in dreißigtausend Fuß über dem Meer in einem Düsenflugzeug, wirkte es merkwürdig, von beunruhigenden Augenblicken in New York zu erzählen: die bedrohliche Gegenwart von Finn im Nugent’s; Mogaills versteckte politische Anspielungen und seine Warnung; Father Tims Gebet an den heiligen Judas und seine Tränen sowie eine weitere Warnung, die in seinem Fall in Gestalt eines Medaillons kam; und, sofern ich es mir nicht nur einbildete, die unwillige Art, wie beide auf das Foto meines Vaters reagiert hatten.
»Klingt für mich alles ziemlich rätselhaft«, sagte Ruby.
»Ich habe gehofft, daß ich nicht der einzige bin, der das so sieht.«
»Dieses Medaillon, laß mich mal sehen.«
Ich tastete nach der rechten Taschenklappe meiner Second-Hand-Jacke aus Harris-Tweed, von der ich auf die letzte Minute noch beschlossen hatte, daß es genau das richtige Kleidungsstück für meine Ankunft in Irland sei. Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte ich Father Tims Medaillon in die Tasche geschoben. Jetzt zog ich es heraus und reichte es Ruby. Sie setzte ihre Lesebrille auf, die mit den dicken Gläsern, bei denen sie immer Froschaugen bekommt, und untersuchte Vorder- und Rückseite des Medaillons. Dann schaute sie zu mir auf und fragte: »Hast du dir das Ding mal genauer angesehen?«
»Nein, eigentlich noch nicht.« Ich fragte mich: Warum nicht? Und mir fiel keine Erklärung für meine Abneigung ein. Ich fragte mich: Könnten Davy Mogaill und Father Tim ihren Widerwillen erklären?
»Nicht schlecht für einen Priester.« Ruby schnaubte verächtlich und gab das Medaillon zurück, wobei sie so tat, als sei es etwas, das gerade von einem Aussätzigen abgefallen wäre. »Sieh’s dir mal genau an, Hock.«
Auf einer Seite befand sich die Prägung eines Symbols: eine in ein Rutenbündel gebundene Axt, und darunter die Buchstaben H. O. S. Soviel konnte ich ohne Hilfe meiner Bifokalbrille erkennen, durch die ich dann blinzelte, um einen stark abgewetzten, in Kursivschrift gravierten Text auf der Rückseite zu lesen:
Wird nichtig des Volkes Elite und hohl ,
Wird schwächer ihr Zustand und Zwietracht wächst an:
Tragt jetzt die Lieder hinaus in die Welt ,
Tanzt auf den Straßen im Gleichschritt voran.
»Was bedeutet das deiner Meinung nach?« fragte ich.
»Ich würde sagen, der persönliche Mond von deinem Freund, dem Priester, besitzt eine dunkle Seite«, erwiderte Ruby.
»Wie bei vielen anderen Priestern auch.«
»Klar, aber wie viele von denen sind heute noch Faschisten?«
»Faschisten? Was redest du da?«
»Laß noch mal sehen«, sagte Ruby. Ich gab ihr das Medaillon zurück. Sie zeigte mir die Seite mit dem Bild und fragte: »Hast du eine Idee, was das hier ist?«
»Das Symbol? Nein.«
»Das sind Fasces. Das ist übrigens Italienisch.«
»Und bedeutet was?«
»Im antiken Rom
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