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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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allein wieder besoffen und dann gedacht hat, es wär doch ein toller Lacher, dir in Dublin eine Nachricht zu hinterlassen. Dann ist er nach Hause getorkelt und hat alles wieder vergessen. Im Moment ist er völlig weggetreten und kann das Telefon nicht mehr hören.«
    »Könnte sein«, sagte ich. Was eine Lüge war. Ich glaubte nichts von Rubys viel zu oberflächlichen Verdachtsmomenten. Davy Mogaill ist ein erfahrener Schluckspecht, gehört aber ganz bestimmt nicht der leichtfertigen Sorte an. »Ich kann mich übrigens auch ganz allein betrinken.«
    Mit der Verzweiflung der schon lange leidenden Ehefrau eines Cops in der Stimme sagte Ruby: »Wenn du willst, kannst du ihn doch heute abend anrufen. Aber bitte, Hock, versuch nicht zu vergessen, wo wir sind und warum wir hier sind. Dann frag dich selbst, was das mit Davy Mogaill zu tun hat.«
    Irgendwo gab es darauf eine Antwort. Aber mir fiel nichts anderes ein als einige von Davy Mogaills erst kürzlich ausgesprochenen Worten: Könnten wir nicht auf einen besseren Trost trinken als auf unveränderliche Dinge, die zu Witwen und Waisen führen?
    Boylan wurde wieder geschwätzig. Zu Ruby meinte er: »Wenn Ihnen das Land hier oben schon gefällt, colleen, wird es Ihnen weiter unten Richtung Dún Laoghaire auch gefallen. Dort unten ist die Luft nicht nur süß von der Bestellung des Landes, sondern auch von der Meeresbrise. Mein Vater stammt aus der Gegend. Er ist es auch, der das Frühjahr so sehr liebte...«
    Francie Boylan unterbrach sich, als wollte er schon ein rührseliges Liedchen mit jeder Menge »Tora loo« anstimmen. Statt dessen sagte er: »Möchten Sie gern hören, was Pap über den Frühling sagt?«
    Ruby wollte. Ich nicht.
    »Joe Boylan sagt, es ist Frühling, wenn die Milch nach Zwiebeln schmeckt.«
    »Wieso das denn?« fragte Ruby. Es tat mir leid, daß sie das wissen wollte.
    Francie Boylan holte tief Luft, dann sprach er, als rezitiere er eingepaukte Lektionen aus der Schule. »Das liegt daran, daß Kühe, die früh auf die Weide geführt werden, Zwiebelgras fressen, das kurz nach den Salweiden sprießt, aber noch vor den Forsythien... Das ist dann ungefähr die gleiche Zeit wie die für die Stinkende Zehrwurz...«
    Und ich mußte ungefähr noch eine weitere halbe Stunde bukolischer Reisebeschreibung über mich ergehen lassen, bis die Umgebung zum Glück urban wurde. Was in Irland recht plötzlich geschieht, selbst am Rande der Hauptstadt. Ohne Vorankündigung durch wildwuchernde Vorstädte lag Dublin nun vor uns: eine Stadt mit einer halben Million Einwohner unmittelbar hinter den Feldern. Schiffswerften und Docks, aneinandergedrängte Gebäude, Flachsspinnereien, Straßenbahnen und der süße Dampf von Brauereien und Brennereien. Ruby kurbelte das Fenster wieder hoch.
    Zuerst fuhren wir durch Arbeitervororte, die die Stadt umgaben, Reihe um Reihe schmuddeliger Ziegelhäuser, niedrig und schief aneinandergedrängt. Magere Kinder mit schmutzigen Gesichtern und verschorften Knien spielten in diesen armen Straßen; sie spielten Ballie-callie und Annie-over, wie ich es selbst in den Straßen von Hell’s Kitchen gespielt hatte, zu einer anderen Zeit, an einem anderen irischen Ort. Dann kamen die breiten Hauptstraßen immer besser werdender Bezirke, auf denen sich Hausfrauen mit Kopftüchern und Einkaufsnetzen auf den Weg zum Markt machten und grauhaarige Rentner mit ihren Schwarzdornstöcken entlangschlenderten auf der Suche nach ihresgleichen für den Klatsch und Tratsch eines weiteren langen Tages. Und schließlich im Herzen Dublins die O’Connell Street.
    »Baile Átha Cliath - das ist der gälische Name von Dublin«, erklärte Boylan, nachdem sich unsere Augen an die Stadt gewöhnt hatten. Wir schienen nun reif für den Ton zu den Bildern. »Viele von uns haben nie aufgehört, diesen ruhmreichen Namen zu benutzen.«
    »Die Alten?« fragte ich.
    »Aye, und auch jüngere mit Respekt für all das Blut, das auf diesen Straßen hier vergossen wurde.«
    »Während des Osteraufstands?« fragte Ruby.
    »Damals und zu anderen Zeiten und lange davor«, antwortete Boylan. Er hielt vor einer roten Ampel und deutete aus dem Fenster auf eine alte Gaststätte. Drei Jugendliche in Lederjacken und Arbeitsschuhen lungerten vor der Tür herum und rauchten. »Sehen Sie sich an, wo im Jahr 1209 der Schwarze Montag begann. Damals begannen Banden von Burschen wie die dort drüben, diejenigen zu massakrieren, die uns in unserem eigenen Baile Átha Cliath

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