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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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Extrablatt erwartete mich, als ich aus dem Fahrstuhl stieg.
    »Na so was - Sie sind bestimmt der Amerikaner, über den sich unser Troll unten im Foyer nicht mehr eingekriegt hat«, sagte er und bot mir die Hand an. Ich vermutete, er meinte den alten Fosdick. »Ich bin Gunston.«
    Ich schüttelte seine Hand. »Hockaday. Nette Augenblende.«
    »Danke. Nette Yankees-Kappe.«
    Ich mochte den Mann auf Anhieb, und ich liege fast immer richtig, wenn ich so ein schnelles Urteil fälle. Er war praktisch eine Generation jünger als ich, und natürlich wohnte er in Dublin, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß Oliver Gunston und ich vom gleichen Schlag waren, daß wir die gleichen Erfahrungen oder Einstellungen teilten. Oder vielleicht lag es einfach auch nur daran, daß ich früher mal selbst Journalist hatte werden wollen... oder irgendwas.
    »Ihr Landsmann Slattery - er hat mir so viele reizende Dinge über Sie erzählt.«
    »Ich hab’s gelesen«, sagte ich.
    »Aye. Kommen Sie mit.«
    Gunston ging voraus durch ein Labyrinth mit Teppichboden ausgelegter Korridore und schulterhoher Verschläge, in denen Männer und Frauen, die eher wie Broker denn wie Zeitungsreporter aussahen, vor leuchtenden Bildschirmen hockten. Niemand rauchte. Niemand trank. Niemand brüllte nach einem Laufburschen. Genaugenommen bestanden die einzigen Geräusche in dem ganzen Laden aus der Berieselungsmusik von Herb Alpert and the Tijuana Brass und aus dem leisen Klappern von Computertastaturen. Genau wie moderne öffentliche Gebäude und ihre Foyers haben auch Nachrichtenredaktionen eine ernsthafte Wende zum Schlechteren genommen.
    Aber der Verschlag von Oliver Gunston war eine bessere, eine gemütliche Welt. Er enthielt den standardmäßigen Computer, doch der Apparat war auf einem separaten Tisch in eine Ecke geschoben worden und teilweise von einer Decke mit Troddeln verhüllt. Seine eigentliche Arbeit erledigte Gunston auf einer ganz normalen mechanischen Royal-Schreibmaschine. Zum Beweis war da der mit zusammengeknüllten Blättern überquellende Papierkorb. Sein Arbeitsplatz war ein arg ramponierter Rollschreibtisch mit einem Aschenbecher voller Zigarrenstumpen und einer untersten Schublade mit einer Flasche Irish Mist und mehreren Schnapsgläsern.
    Er setzte sich auf einen Mahagonistuhl an seinen Schreibtisch und schenkte zwei gastfreundliche Drinks ein. Ich nahm auf einem zu weich gepolsterten Sessel mit Spitzendeckchen auf der Rückenlehne Platz, auf dem die Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte.
    »Der Sessel hat mal meinem Vater gehört, und ich habe ihn aus den Klauen des Lumpensammlers gerettet«, erklärte Gunston und reichte mir meinen Whiskey. »Meine Frau duldet ihn nicht im Haus, also steht er jetzt hier.«
    »Guter Sessel«, sagte ich. Urplötzlich hatte ich Heimweh nach dem Sessel in meinem Wohnzimmer in Hell’s Kitchen, einem mit grünem Seidenbrokat bezogenen Ding mit Fransen, das ich von der Heilsarmee hatte. Der Verkäufer behauptete, er hätte mal in einem Bordell downtown gestanden.
    »In diesem Sessel hat mein Vater früher jeden Abend seine Bücher und Zeitungen gelesen, wenn er von der Arbeit nach Hause kam«, erklärte Gunston. »Er hatte einen dieser Jobs, bei denen es keinen größeren Luxus gab, als sich am Ende eines langen Tages endlich setzen zu können.«
    »Ich weiß, was er meint.«
    »Meinte«, sagte Gunston. »Er ist gestorben, als ich noch ein Kind war.«
    »Wir haben etwas gemeinsam.«
    »Ach?«
    »Wir haben beide unsere leeren Stellen.«
    »Dann ist Ihr Vater also auch tot.« So wie er es sagte, war dies keine Frage. Es war mehr eine bestätigende Feststellung. Genau wie ich wußte Gunston von der leeren Stelle. Wir hätten Brüder sein können.
    »Mein Vater war Soldat«, sagte ich wie üblich. »Er ist in die Staaten gegangen, dann in den Krieg gezogen und nicht mehr zurückgekommen. Ich habe ihn nie gekannt.« Das genügte Gunston nicht. Ihm schuldete ich eine umfassendere Antwort.
    Aber welche? Ich trank den Whiskey zur Hälfte aus und fügte hinzu: »Bevor ich geboren wurde, haben er und meine Mutter in Dublin gelebt. Meine Mutter ist inzwischen auch schon tot.«
    »Und deshalb sind Sie jetzt hier, um etwas über sie zu erfahren?«
    »Todsicher bin ich nicht den ganzen Weg gekommen, um mitanzusehen, wie Francie Boylan auf der O’Connell Street umgelegt wurde. Für so was hätte ich auch zu Hause in New York bleiben können.«
    »Hab ich schon gehört.« Gunston lachte und leerte sein Glas. Ich tat

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