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Ertränkt alle Hunde

Ertränkt alle Hunde

Titel: Ertränkt alle Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Adcock
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durstiger Mann in einer Wüste nach einem kalten Bier sehnt. Ich brauchte eine Verschnaufpause von den nicht enden wollenden Enthüllungen und dem Wissen, daß noch mehr auf mich wartete, bevor ich nach Hause zurückkehren konnte.
    Zwei Tage nach Beginn dieser sentimentalen Reise in meine irische Vergangenheit - und was hatte ich erfahren? Daß die Politik des einen der Tod des anderen ist; was Father Tim für einen Glücksbringer hielt, erwies sich als ein faschistisches Souvenir; mein Onkel Liam ist stinkreich, an einen Rollstuhl gefesselt und spricht in Rätseln; mütterlicherseits hatte ich es in meiner Familie mit richtiggehenden Aristokraten zu tun, Vermögen und Ahnentafel inklusive; Grandma Finóla hatte eine langjährige Affäre mit einem Priester namens Father Cor, hinter die Grandpa Myles auf skandalöse Weise mit Mord und Selbstmord einen Punkt setzte; und der Lord High Chief der Dublin Garda Gavan Fitzgerald lernte seinen Schöpfer auf die gleiche Weise kennen wie Mussolini, beide Faschisten wurden erhängt.
    Was kam als nächstes?
    Mir graute bei dem Gedanken, dann betrat ich die erste Bank, die mir unter die Augen kam. Ich wechselte Reiseschecks für über dreihundert Dollar und beschloß, daß ich wahrscheinlich noch einmal Chief Eamonn Keegan aufsuchen sollte, diesmal allerdings allein und ohne fremde Hilfe. Keegan kam mir wie ein Patrizier vor. Vielleicht würde er mit mir etwas bereitwilliger über den Mord an Francie Boylan plaudern, wenn ich ihm sagte, daß ich vom alten Fitz abstammte.
    Was würde Inspector Neglio zu diesem Stammbaum sagen? Und Davy Mogaill, wo auch immer er steckte?
    Ich verließ die Einkaufsstraße und kehrte zur O’Connell Street zurück, ging dann weiter zur Hauptpost und zum Präsidium der Garda. Ich achtete nicht weiter auf ein gutes halbes Dutzend schnatternder Schulmädchen, die mir entgegenkamen, und genausowenig auf die sie begleitende rotgesichtige Nonne, die mir freundlich zunickte und mit leichter Whiskeyfahne sagte: »Top o’day.«

27

    »Bevor wir zurückgehen, sollte ich alles aufschreiben. Warten Sie...« Ruby wühlte in ihren Taschen und suchte erfolglos nach einem Stift. »Ich hätte schnell nach oben laufen und meine Handtasche mitnehmen sollen. Ich hab nicht mal Geld dabei.«
    »In meiner Tasche ist was«, sagte Moira. »Geld, meine ich. Tut mir leid, daß ich nichts zu schreiben habe.«
    »Sie haben was gut bei mir.« Ruby streckte eine Hand in die Luft. Eine Kellnerin kam herübergeschwebt, und Ruby borgte sich einen stumpfen Bleistift. Damit und mit einer sauberen Papierserviette bewaffnet, sagte sie: »Okay, Moira, jetzt sagen Sie erst noch mal das Rätsel.«
    »Ein Mann ohne Augen sah Pflaumen auf einem Baum. Weder nahm er Pflaumen noch ließ er Pflaumen zurück. Wie ist das möglich?«
    Ruby schrieb langsam mit. »Und schreiben Sie’s ganz genau so auf, wie ich es sage«, mahnte Moira.
    »Okay«, sagte Ruby, als sie fertig war. »Und die Antwort?«
    »Es hat alles mit den Pluralformen zu tun, sehen Sie das nicht? Der Mann hatte ein Auge, also hat er keine Augen. An dem Baum hingen zwei Pflaumen, und eine davon nahm er, deshalb hat er weder Pflaumen genommen noch zurückgelassen.«
    »Ich liebe es!«
    »Glauben Sie, Ihr shamus kommt je dahinter?«
    »Möglich ist alles. Ich sage ihm immer gern, er sei smarter, als er aussieht.«
    Die Köchin, die jeden Bissen des Frühstücks im Restaurant genossen hatte, legte nun den Kopf zurück und lachte herzhaft. Jetzt erkannte Ruby, zum ersten Mal und trotz der Jahre und des Gewichts und des Netzes, das ihre Haare immer noch plattdrückte, daß Moira Catherine Bernadette Booley früher einmal von den Männern begehrt worden sein mußte. Damals auf dem Land, als meine Beine noch schlank waren wie Schilfrohr.
    »Ich werde Sie schrecklich vermissen, wenn Sie erst wieder nach Amerika abgereist sind«, sagte Moira. »Hätte ich Sie doch nur schon vor langer Zeit gekannt, Ruby. Ach, mein Leben...!« Moiras braune Augen füllten sich mit Tränen ohne jede Scham.
    »Sagen Sie es«, ermunterte Ruby sie.
    »Dann würde heute eine andere Frau hier vor Ihnen sitzen«, sagte Moira. »Genau das meine ich. Nie habe ich es gewagt, meinen Blick auf einen Ort zu lenken, den ich noch nicht gesehen hatte, einen Ort, wo die ganze Nacht über Lichter brennen. Nie habe ich mir vorgestellt, ich besäße das Recht auf einen lieben Mann, der sich verpflichtet fühlt, jeden Tag ein paar nette Worte zu mir zu sagen. Das haben Sie mir

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