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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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zusätzlich verdunkelt wurde.
    An der hinteren Wand waren keine Nischen, aber in dem Bereich wurden geschäftig Getränke und Mahlzeiten bereitgestellt. Rechts von der Mitte schwangen Metalltüren auf und zu und gaben kurze Einblicke in eine betriebsame Küche, wodurch man den Eindruck bekommen konnte, dort herrsche eine von Drogen beeinflusste Energie vor. Etwas neben dem Küchenwirrwarr, genau in der Mitte, führte ein dunkler Gang in den rückwärtigen Teil des Pubs. Über dem höhlenartigen Eingang hing ein Neonschild: Toiletten.
    Links davon war ein massiver Steinkamin zu sehen. Er war noch Teil des ursprünglichen Gebäudes und wurde von einem kunstvoll geschnitzten Sims betont, zugemüllt mit gerahmten Bildern von Prominenten und Politikern, die im Laufe der Zeit hier reingeschaut hatten. Ein Sofa auf langen, dürren Beinen mit gespaltenen Füßen beherrschte den Bereich direkt vor dem Kamin. Daraufsaßen derzeit zwei dunkelhaarige Frauen, die wie auf Kommando von ihrer eindringlichen Unterhaltung abließen, sich zu mir umdrehten und mich mit einem neugierigen Blick bedachten.
    Ich schluckte und schaute weg, hin zur u-förmigen Bar in der Mitte des Raums. Dutzende von Flaschen unterschiedlichen Leeregrads standen wahllos durcheinander in der zentralen Auslage, und in einer Kronleuchterversion für Arme tanzten Lichtfunken.
    Das U selbst bestand aus glatt geschliffener Eiche, davor standen im Abstand von etwa fünfzig Zentimetern Barhocker. Im U, hinter der Bar, war ein weißhaariger Mann, der mich anstarrte. Seine Brauen hatten sich gehoben, als wäre er überrascht, mich durch die Tür kommen zu sehen, doch jetzt, als ich auf ihn zuging, beobachtete er mich mit ausdruckslosen Augen.
    »Du bist spät dran«, sagte er freundlich, als ich noch drei Meter entfernt war. »Alles in Ordnung, Mädchen?«
    »Es … es tut mir leid.« Ich hastete los. »Mir ging es nicht besonders und …«
    »Bist du deshalb am Samstag so plötzlich verschwunden? Als ich dich ins Lager geschickt habe und du nicht mehr zurückgekommen bist?«
    Samstag. An diesem Abend bin ich auf Johnson los. Dann musste in dieser Nacht auch Alice gestorben sein. Und wenn sie rausgerannt war, dann hatte sie vielleicht gewusst, dass sie sich in Gefahr befand. Mehr noch - dass die Gefahr möglicherweise vom Pub ausgegangen war.
    Ich sah mich um, musterte die Gesichter, um vielleicht herauszufinden, ob sich jemand wunderte, dass ich noch lebte. Soweit ich das beurteilen konnte, interessierten sich alle mehr für ihr Bier als für meine lebendige Gegenwart.
    »Yo. Was ist los? Hast du Tomaten auf den Ohren?«
    Ich nahm Haltung an. »Entschuldigung. Am Samstag, äh, mir ist schlecht geworden. Aber ich hätte nicht einfach davonlaufen sollen.«
    »Ganz genau. Am Sonntag hättest du auch anrufen können.« Er runzelte die Stirn und zog die Mundwinkel nach unten. »Damit ich weiß, dass dir nichts passiert ist.«
    »Es tut mir wirklich leid. Wird nicht wieder vorkommen.«
    »Das hoffe ich. Geht es dir jetzt wieder gut?«
    »Mir fehlt nichts, ehrlich. Bin nur ein bisschen benommen.« Ich brachte ein mattes Lächeln zustande. »Ich habe in letzter Zeit nicht sonderlich viel gegessen.«
    Er knurrte. »Sag Caleb, er soll dir ‘ne Tüte Fish’n’Chips geben.«
    »Danke.«
    Er grantelte noch kurz in seinen Bart, packte dann ein Tuch und polierte das Messing an der Bar. »Du kannst mir ja nicht ohnmächtig werden, wenn die Gäste was zu essen haben wollen, und Gracie kann den Laden nicht allein schmeißen. Am Wochenende musste ich Trish anrufen. Sie war alles andere als glücklich darüber.«
    »Oh.« Ich hatte keinen Schimmer, wovon er redete, bis ich der Bichtung seines Blicks folgte und bei einer Mittzwanzigerin mit Pferdeschwanz und weißem T-Shirt samt auf dem Bücken aufgedrucktem Bloody-Tongue-Logo landete. Sie fummelte an ihrem Schürzchen herum, das sie um die Hüften trug, und versuchte erfolglos, gleichzeitig Wechselgeld herauszugeben und ein bisschen zu plaudern. Gracie vermutlich. Die Unglückliche, Trish, war nirgends zu sehen.
    Ich zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. »Dann sollte ich mich wohl besser an die Arbeit machen.«
    »Das würde ich auch sagen. Und was ist mit deinen Haaren?«
    »Wieso?«
    »Hast du die Vorschriften vergessen? Binde sie zu einem Pferdeschwanz zusammen.«
    »Ach ja. Klar. Wo hab ich bloß meinen Kopf?« Eine große Blondine mit spindeldürren Beinen brachte ein Schneidebrett voller Zitronen und Orangen nach vorne.

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