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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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die banalen Pflichten meines neuen Lebens eher entgegen. Dinge, wie zu lernen, ein Guinness richtig zu zapfen. Der ständige Kampf, auf den Tisch-Nummern- Plan zu schielen, ohne dass mich jemand dabei ertappt. Selbst eine harmlose Unterhaltung mit Gracie zu führen, während wir Salzfässer nachfüllten und Ketchup Flaschen gewagt aufeinander-stapelten.
    Alles Dinge, die meine volle Konzentration erforderten, wenn ich mich nicht verraten wollte.
    »Und wieso hast du mich nicht zurückgerufen?«, fragte Gracie, nachdem wir mit den Salzstreuern fertig waren und mit den Pfefferstreuern weitermachten. Erst hatte sich unser Plausch darum gedreht, ob sie Calebs Angebot, ihr eine Portion mit Käse überbackene Fritten zuzubereiten, annehmen solle. Jetzt kamen wir wohl allmählich zum Kern der Sache, und ich wusste nicht genau, ob ich diese Unterredung fürchten oder furchtbar neugierig darauf sein sollte.
    »Wann?«
    »Vergiss es!« Sie hob ein Tablett voller Salzstreuer hoch.
    »Nein, warte! Ich meine es ernst. Mein Onkel hat dir gesagt, ich sei krank geworden, stimmt s? Ich stand völlig neben mir.«
    Das Tablett senkte sich wieder.
    Sie überflog rasch alle Tische, ob irgendwer etwas brauchte. Offensichtlich nicht, denn sie setzte sich wieder, holte das Trinkgeld raus und ordnete es nach der Größe der Scheine. »Wirklich?« »Wirklich. Ich habe nicht einmal meine Nachrichten abgehört.« ; »So? Na gut. Aber ich war echt enttäuscht, dass du dich nicht gemeldet hast. Wir wollten am Sonntag vor der Arbeit doch ins Kino, weißt du nicht mehr?«
    »Oh Mann«, sagte ich hoffentlich ausreichend zerknirscht. »Kein Wunder, dass du sauer bist!«
    »So sauer auch wieder nicht.« Ihre blauen Augen schauten unter den Fransen heraus zu mir hoch. »Aber ich habe mir Sorgen gemacht. In letzter Zeit warst du so … na ja … du weißt schon.«
    »Ja? Wie denn?«
    »Zerstreut eben. So hast du es jedenfalls genannt.«
    »Ja.« Ich stellte gefüllte Streuer auf ein weiteres Tablett. »Das trifft es schon ganz gut. Ich habe dir ja gesagt, warum, oder?« Ich lächelte, Vertrauen unter Freundinnen.
    »Sehr witzig.«
    Offenbar hatte ich es ihr nicht gesagt. »Entschuldige, kleiner Scherz. Aber ich hätte was sagen sollen. Ich meine, wenn man so etwas nicht einmal mit seinen Freundinnen teilt…«
    »Ganz genau.« Sie beugte sich zu mir. »Willst du jetzt darüber reden?«
    Ich winkte ab. »Ach was, ist keine große Sache. Nur Ärger mit Jungs.«
    »Noah?«
    »Wie bitte?«
    »Dass er einfach so nach Los Angeles abhaut. Was für ein Arsch!«
    »Ein Riesenarsch!«, pflichtete ich ihr bei und machte mir im Geist eine Notiz, Alice’ Wohnung nach Hinweisen auf Noah zu durchsuchen. Vielleicht hatte er sie umgebracht und war danach aus dem Bundesstaat geflohen.
    »Das ist jetzt über einen Monat her, Alice! Wird langsam Zeit, dass du drüber wegkommst.« »Klar. Weiß ich. Du hast recht.« Streiche Noah von der Liste der Verdächtigen.
    »Brian hat Interesse. Man merkt ihm an, dass er mehr als nur ein Freund sein möchte.«
    »Ja, schon, äh.« Ich klang hoffentlich unverbindlich und nicht völlig ahnungslos. Ich hatte keinen Schimmer, wer Brian war.
    Gracie lachte. »Versuch, nicht ganz so desinteressiert zu schauen, wenn er in der Nähe ist. Du könntest sonst seine Gefühle verletzten.«
    »Tut mir leid. Es ist nur …«
    »Dir spukt jemand anderes im Kopf herum.« Sie klang wie eine Frau, die ein Geheimnis kennt.
    »Tatsächlich?«
    Sie verdrehte die Augen. »Ich bitte dich, Alice! Glaubst du wirklich, dass Deacon Camphire Interesse an dir haben könnte?«
    Ich setzte mich gerade hin und einen - hoffentlich - unschuldigen Blick auf. »Wovon redest du?«
    »Ich hab doch gesehen, wie du letzte Woche mit ihm gesprochen hast.«
    »Und?«
    »Und?«, wiederholte sie fassungslos. »Glaubst du nicht, dass er irgendwie gefährlich ist?«
    »So wie heute Abend, meinst du?«
    »Ganz genau. Leon war ja schon ein größeres A-Loch als üblich, aber was Deacon sich heute geleistet hat… Brrr!«
    Das fasste meine Eindrücke zu dem geheimnisvollen Mr Camphire ziemlich gut zusammen. Nicht dass die Leute, mit denen ich mich sonst abgegeben hatte, alle eine blütenweiße Weste gehabt hätten. Wenn man mit vierzehn Jahren anfangen muss, die R echnungen zu bezahlen, klebt man entweder an seinen Prinzipien und bleibt pleite. Oder man drückt hin und wieder ein Auge zu und trifft dabei einige unappetitliche Gestalten. Ich hatte schon so oft beide Augen

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