Erwachen
konnte, sondern mich dem Mann stellen musste. Eine Kleinigkeit, die mich eigentlich zu Tode hätte ängstigen sollen. Es aber nicht tat.
Deacon stellte eine Herausforderung dar. Er erregte mich. Dieser Mann, der Dämonen als das erkannte, was sie waren. Der seine Wut hinter einer hauchdünnen Barriere in Schach hielt. Dieser Mann, der schon mit einer leichten Berührung meinen ganzen Körper entflammen konnte.
Ein Mann, der einer verängstigten Frau Hilfe versprochen hatte. Der sich Sorgen machte, als sie nicht kam.
Ein finsterer Mann, sicher, aber es war auch Licht in ihm.
Und ein verdammt sinnlicher Mann dazu.
Spontan empfundene Lust war mir keineswegs fremd - etwa das innere Dröhnen, wenn sich ein scharfer Typ auf einer dunklen, verschwitzten Tanzfläche eng an einen drängt. Dies hier war jedoch anders. Dies war tiefgehend, pochend, fast schon unheimlich.
Ich wollte die Hitze seiner Berührung spüren, seine salzige Haut schmecken. Ich wollte ihn verzehren. Und verzehrt werden.
Selbst jetzt noch hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. Du gehörst mir, hatte er gesagt. Du gehörst mir.
Irgendetwas war da, etwas zwischen Deacon und mir. Doch ob dies zwischen Deacon und Alice oder zwischen Deacon und Lily war, wusste ich noch nicht.
Zu dem Zeitpunkt war es mir auch egal.
Nein. Ich schloss die Augen und hielt mir geistig selbst eine Standpauke. Bau keinen Mist! Diese zweite Chance war buchstäblich die Reaktion auf meine Gebete. Ich hatte wirklich die Gelegenheit, etwas Gutes zu tun, einen Ausgleich für ein Leben zu schaffen, das eine falsche Wendung genommen hatte. Und diese Gelegenheit würde ich mir nicht dadurch vermasseln, dass ich Deacon bumste.
Ich würde meine Aufgabe erfüllen. Ich würde alle Fragen stellen, deren Antworten ich brauchte. Ich würde die alles in den Schatten stellende Superbraut und Weltenretterin werden.
Ich war mir nur nicht ganz sicher, wie.
»Alice!« Egans laute Stimmte donnerte aus dem vorderen Teil des Pubs und rettete mich aus dem Morast meiner Gedanken. »Was zum Teufel ist los mit dir, Mädchen? Hast du dich schon wieder verlaufen?«
Ich schloss die Augen und atmete tief durch, während ich versuchte, mich in meinem geistigen Nebel zurechtzufinden. Einigermaßen erleichtert zog ich Bilanz. Zum ersten Mal, seit ich den Dämon kaltgemacht hatte, fühlte ich mich wieder wie ich selbst.
Ich stieß mich von der Wand ab und schob geistig damit auch Deacon zur Seite. Es war Zeit, sich von den Geheimnissen dieses Mannes und meiner Reaktion auf ihn zu lösen und sich dem aktuelleren Problem zuzuwenden, nahtlos in Alice’ richtiges Leben zu schlüpfen.
Ich streifte das Sweatshirt über, das ich vorher ausgezogen hatte, um den langen Schnitt an meinem Arm zu verstecken. Dann versicherte ich Egan, dass ich mich weder verirrt noch meine Pflichten vergessen hätte, und sauste los, um die letzten Arbeiten zu erledigen, damit wir schließen konnten. Alle anderen hatte er bereits nach Hause geschickt, und wir erledigten die Routineaufgaben in kameradschaftlichem Schweigen. Wenn ihm mein Zögern auffiel, wenn ich kurz überlegen musste, wie man die Dinge ordentlich anpackte, so sagte er zumindest nichts.
Als wir fertig waren, stand ich unbeholfen und unsicher da. Wie würde er mich verabschieden? Mit einem Küsschen auf die Wange oder einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter?
Solange ich die Gäste bedient hatte, war alles rund gelaufen. Wenigstens so rund, dass ich mich überzeugen konnte, Alice’ Rolle glaubwürdig gespielt zu haben. Jetzt gab es keine gerufenen Bestellungen mehr, keine verschütteten Getränke. Nur noch mich und diesen Mann, angeblich mein Onkel. Ein Mann, der Alice von Geburt an gekannt hatte. Bemerkte er nichts? Fiel ihm wirklich nichts auf?
Egan räumte hinter dem Tresen ein paar Dinge zusammen. Als würde er mein Unbehagen spüren, schaute er hoch. Er stützte sich mit einem muskulösen Arm auf die polierte Eichenholzplatte, dann blickte er mir direkt in die Augen. »Hast du irgendwelchen Ärger, Mädchen?«
»Ich … nein. Nichts.«
Er rieb sich mit der schwieligen Hand über die Bartstoppeln, musterte mich weiter so eindringlich, dass ich alle Mühe hatte, unter seiner gründlichen Prüfung nicht zusammenzuzucken. »Konfus«, sagte er schließlich.
»Wie bitte?«
»Den ganzen Abend stehst du schon irgendwie neben dir. Und so wie du am Samstag einfach abgehauen bist, muss ich mich schon allmählich fragen, ob dir nicht irgendwas im Magen
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