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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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würde ich dafür bestraft, dass ich Deacon zu leichtfertig vertraut hatte trotz seiner anderen Seite, die er in der Bar gezeigt hatte und die mich entsetzte.
    Ich versuchte, mich zurückzuziehen, doch ich war bereits zu weit gegangen. Die Blende vor meinem geistigen Auge wurde rot, nur seine Augen blieben schwarz. Ein tiefes, gieriges Schwarz, das mich einsaugte und verzehrte. Ich schreckte zurück vor dem Abgrund, der sich vor mir auftat. Hier ist etwas Böses.
    Ich wollte den Blick abwenden, wollte es nicht sehen. Aber ich war dagegen machtlos.
    Und was ich sah, brach mir das Herz.
    Schmerz und Verlust und Angst hämmerten durch mich hindurch.
    Sein Schmerz. Sein Verlust. Seine Angst.
    Alles hochgehalten wie ein Talisman, der eine Flut von finsterer Wut, blutrotem Zorn und eine abscheuliche Bösartigkeit abwehren sollte, deren Tiefe ausreichte, um ein Loch in die Seele eines Menschen zu brennen.
    Ich mühte mich ab, wollte mich losreißen, meinen Verstand aus diesem dunklen Ort befreien.
    Doch ich schaffte es nicht. Sein Griff war zu stark.
    Du gehörst mir, schien seine Stimme in meinem Kopf zu flüstern. Die Worte so klar, ich hätte schwören können, er hatte sie wirklich gesprochen. Ich sah nach unten und entdeckte ein Dutzendweißer Blumen, von deren Blättern Rinnsale aus Blut liefen.
    Lilien.
    Ich schnappte nach Luft. Angst durchfuhr mich, als dieser nicht sehr tiefsinnige Symbolismus den Zauber brach.
    Die Bilder verflüchtigten sich wie Nebel, und ich zuckte zusammen, als würde ich aus einer Trance erwachen. Und was musste ich feststellen: Mein Körper drängte sich fest an seinen, mein Unterleib rieb sich an seinem Schenkel.
    Entsetzt sprang ich zurück, mein Puls hämmerte noch vor Begierde und Furcht.
    Und als ich aufblickte, sah ich in seinem Gesicht keine Spur von meiner Verwirrung. Ich sa h nichts als Zorn.
    »Verdammt noch mal, Alice!«, knurrte er und packte meinen Arm so schnell, dass ich nicht mehr ausweichen konnte. »Du hast geschworen, wenn ich dir helfe, lässt du meinen Kopf in Ruhe.«

8
     
    Wahrscheinlich hätte ich nicht wegrennen sollen.
    Das erweckte den Eindruck, ich hätte Angst gehabt. Was stimmte. Aber das brauchte Deacon nicht unbedingt zu wissen.
    Nein, ich hätte bleiben sollen. Hätte so tun sollen, als wüsste ich nicht, wovon er redete. Hätte behaupten sollen, ich sei nie in seinem Kopf gewesen, hätte nie dieses Brennen der Gefühle gespürt, nie diesen Schimmer des Bösen gesehen.
    Aber, Gott stehe mir bei, ich hatte das alles nun einmal getan und erlebt. Also entwand ich mich seinem Griff und lief davon, ohne mich umzudrehen, obwohl ich ihn meinen Namen rufen hörte. Ich riss die Tür auf und stolperte ins Pub. Dann knallte ich die Tür zu und schob den schweren Riegel vor.
    Schwer atmend und mit pochendem Herzen lehnte ich mich an das Metall.
    Die Höllenbestie mochte ja ein Super-Mega-Giga-Monster sein. Aber verglichen mit dem, was ich in Deacons Kopf gesehen, in seiner Stimme gehört hatte - finstere Dinge, furchterregende Dinge war sie nur ein Schmusekätzchen.
    Selbst Lucas Johnson schien im Verhältnis dazu noch eine erstklassige Wahl als Babysitter zu sein.
    In Deacon steckte das Böse, da hatte ich keinen Zweifel. Aber verdammt, da war auch noch mehr. Er kämpfte gegen das Furchtbare an und für das Gute.
    Ob er allerdings gewann … Tja, das wusste ich nicht.
    Aus seinen Worten schloss ich, dass Alice ihn ebenfalls gesehen hatte, diesen Makel des Bösen in ihm. Und dass ihr Ausflug in seinen Verstand den Mann ziemlich aufgebracht hatte - und sie vermutlich entsetzt hatte. Dennoch war sie wieder zu ihm gegangen und hatte ihn um Hilfe gebeten.
    Dann war sie nicht wieder aufgetaucht, um sie sich zu holen.
    Stattdessen hatte man sie ermordet.
    Aber Alice hatte geglaubt, dass Deacon ihr würde helfen können, und ich stellte mir jetzt die Frage, ob er auch mir helfen könnte. Vielleicht hatte sie Deacon ja etwas anvertraut, irgendeinen Hinweis, der zu ihrem Mörder führen konnte. Und das wollte ich unbedingt in Erfahrung bringen trotz Clarence’ Warnung. Ich musste es wissen. Einmal, um meinen neuen Körper zu schützen. Zum anderen, um die Frau zu rächen, deren Leben ich mir angeeignet hatte. Clarence mochte ja der Auffassung sein, man lasse die Vergangenheit besser ruhen, aber das konnte ich nicht. Ich würde Alice’ Mörder finden. Und bisher war Deacon die einzige Spur, die ich hatte.
    Was bedeutete, dass ich früher oder später nicht mehr weglaufen

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