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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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Und was muss ich da stattdessen hören? Es war jemand dabei, als du das Untier umgelegt hast.« Er machte eine Pause, und obwohl er einen Kopf kleiner war als ich, schien er in diesem Moment auf mich herabzuschauen. »Wer war das? Wer war bei dir?«
    »Das weißt du nicht?« Diese Möglichkeit war so verblüffend, dass ich den Umstand, dass mein Froschfreund majestätisch angefressen war, völlig aus den Augen verlor. »Du hast also kein perfektes Überwachungssystem? Zum Beispiel Gott, der vom Himmel aus alles sieht? Oder eine handliche Videokamera, die von früh bis spät auf mich gerichtet ist? Nein?«
    Er schnaubte. »Das wäre zwar praktisch, habe ich aber nicht. Du bist im Großen und Ganzen allein auf dich gestellt, außer ich verfalle auf die wunderliche Idee, dir quer durch die Stadt zu folgen.«
    »Aber du hast doch gerade gesagt…«
    »Informanten, Kleine! Ich habe gesagt, ich habe Informanten. Und von denen erfahre ich so im Groben, was vor sich geht. Von dir will ich jetzt all die schmutzigen Details wissen. Deshalb frage ich noch einmal: Wer hat den Dämon tatsächlich getötet?«
    »Vielleicht ich.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Dagegen konnte ich nichts einwenden. »Es war noch jemand dabei, aber meine wahre Identität habe ich nicht preisgegeben. Ehrlich.« Ich blickte ausdruckslos drein und summte Row, row, row a boat in meinem Kopf, um hoffentlich jeden noch herumschwirrenden Gedanken zu ersticken. Deacon wusste, welche Knöpfe er bei mir drücken musste.
    Das Lied war ein Trick, den ich dank meines Stiefvaters gelernt hatte. Denn Joe war ein Experte darin, jemanden zu durchschauen. Früher sah er mir immer an der Nasenspitze an, wenn ich mich auf etwas einließ, aus dem ich mich lieber raushalten sollte. Und dann setzte es unweigerlich einen Klaps auf den Hintern.
    Aber nachdem ich dann gelernt hatte, meinen Kopf mit banalem Zeug vollzustopfen - Kinderlieder, Abzählreime, Melodien aus Schoolhouse Rock wurden die Klapse seltener und seltener. Ein prüfender Blick in den Spiegel verriet mir den Grund: Wenn ich meinen Verstand mit sinnlosem Gedudel ausblendete, wurde auch mein Gesicht völlig ausdruckslos.
    Mit ein bisschen Glück klappte der kleine Trick auch bei dem Himmelsboten. »Lily…«
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, schnauzte ich ihn an. »Das Ding hockte auf mir drauf, und er hat es runtergezerrt, dann haben wir zusammen dagegen gekämpft. Ich habe es aufgespießt und geglaubt, es sei tot. Dann hat er es noch erstochen, und wusch, da war nur noch eine große Dämonenpfütze.«
    »Er? Wer?«
    »Deacon Camphire.«
    Seine Augen wurden ganz schmal, und ich schwöre, wäre mein Leben ein Film gewesen, dann hätte jetzt die unheimliche Musik eingesetzt. Ich schluckte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Die düsteren Bilder, die ich in Deacons Kopf gesehen hatte, schwirrten nun in meinem umher.
    »Er hat mir geholfen, Clarence. Was soll daran falsch sein? Warum ist das schlecht?« Ich hörte, wie schrill sich meine Stimme inzwischen anhörte, und hasste mich deswegen.
    »Geholfen? Oh nein, Kleine. Deacon Camphire war nicht da, um dir zu helfen. Ich weiß nicht, was er tatsächlich im Sinn hatte, aber unser Verbündeter ist er ganz gewiss nicht.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich. Er sah mich bloß sonderbar an. »Verdammt, Clarence!«, setzte ich nach, als er weiter hartnäckig schwieg. »Baus damit! Was ist mit Deacon?«
    »Alles«, verkündete er rundweg. »Er ist ein Dämon, Lily, ein dreckiger, verlogener, stinkender Dämon! Er hat im Höllenfeuer gebadet, und der Geruch des Bösen haftet an ihm, beißend wie fauliges Fleisch. Ein Dämon«, wiederholte er. »Genau die Sorte Subjekt, die zu vernichten deine Bestimmung ist.«

11
     
    »Ein Dämon!«, wiederholte ich. Säure versetzte meinen Magen in Aufruhr. Ich unterdrückte ein Schaudern und zwang mich, meine Kinderliederserenade nicht zu unterbrechen; sonst hätte ich meine Gedanken bestimmt hell und klar ausgestrahlt. Dea-con ist ein Dämon. Ich wollte es nicht glauben, konnte es nicht fassen. Gleichzeitig war ich mir absolut sicher, dass es so war. Dieses Aufblitzen von Wut. Das unheimliche, gruselige Gefühl, als würde etwas Finsteres und Bedrohliches heraufbeschworen. Eine sinnliche Herausforderung, aber sehr gefährlich.
    »Was hast du? Nicht damit gerechnet, dass dieser Schönling einer von den Bösen sein könnte?«
    Ich schwieg. Diese Bemerkung hatte den Nagel zu genau auf den Kopf

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