Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
Vom Netzwerk:
das Ganze hinauslaufen würde.
    »Vielleicht ist das genau richtige Wort. Aber wenn der Dämon clever ist - und wenn er weiß, dass du eine kleine Schwester hast, an der du hängst, die du liebst -, was glaubst du wohl, wird er tun?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte gar nicht wissen, in welche Richtung das führte.
    Er fuhr sich mit der Hand quer über die Kehle. »Nicht dich, Kleine. Sie. Wenn du sie besuchst, mit ihr redest, dieses Mädchen Teil deines Lebens werden lässt, dann bringst du ihres in Gefahr.« Er breitete die Arme aus und zuckte mit den Schultern. »So läuft es nun mal. Denk nach! Du weißt, dass ich recht habe.« Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe und sah mich ernst an.
    Nach kurzer Bedenkzeit nickte ich; dagegen konnte ich nichts einwenden. Rose war schon einmal durch die Hölle gegangen. Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass sie so etwas erneut erleben musste.
    Aber mein Job würde ja nicht ewig dauern. Ich würde gegen die Dämonen kämpfen. Ich würde dafür sorgen, dass die Pforte geschlossen blieb. Und dann, bei Gott, dann würde ich mir meine Schwester zurückholen.
    Vorerst hatte ich aber einen angefressenen Frosch an der Backe, der mich in Grund und Boden starrte. »Stecke ich tief in der Scheiße?«
    Er ließ den Ansatz eines Lächelns erkennen. »Nein, Kindchen. Ich hätte mir von vorneherein denken müssen, dass du dich nicht von ihr fernhalten würdest. So bist du eben. Ein richtiges Kuscheltier.«
    Ich hob die Augenbrauen. »Genau.«
    Er schnaubte, griff dann aber tief in eine Manteltasche. »Ich habe da eine Kleinigkeit für dich. Vielleicht besänftigt es dich ein wenig.«
    »Ach ja?«
    Er reichte mir ein kleines Päckchen. »Mach es auf«, befahl er.
    Ich riss das Papier auf und hielt eine schlichte weiße Schachtel in den Händen. Neugierig sah ich Clarence an, dann öffnete ich den Deckel und schnappte nach Luft, als ich das goldene Kettchen mit dem herzförmigen Medaillon entdeckte.
    »Ich habe es deiner Leiche abgenommen«, nuschelte er. »Ich dachte mir, du würdest es vielleicht gerne wiederhaben.«
    Ich nickte, unfähig, ein Wort aus meinem ausgetrockneten Hals zu krächzen. Die Halskette hatte ich an dem Samstag getragen, als ich mich aufmachte, Lucas Johnson zu töten. Sie war ein Stück meiner Vergangenheit, ein Teil meiner persönlichen Geschichte und etwas, das ich für immer verloren geglaubt hatte.
    Ich klappte den Deckel mit einem meiner manikürten Fingernägel auf und sali das altvertraute Bildchen von Rose und mir, wie wir Arm in Arm auf der Schaukel auf unserer Veranda sitzen. »Danke«, sagte ich, legte mir die Kette um den Hals und steckte das Medaillon unter mein Hemd, nah an mein Herz. »Das bedeutet mir … alles.«
    »Ja, äh, schon gut.«
    »Aber die Polizei wird es doch vermissen, oder? Immerhin bin ich ein Mordopfer.«
    »Kann schon sein«, entgegnete Clarence. »Aber das ist ja nicht unser Problem.«
    Ich grinste unwillkürlich. »Hey, Clarence, du Teufel! Du hältst dich also nicht immer an die Regeln.«
    Er schnaubte und scharrte mit den Füßen. »Das bleibt aber unter uns, klar?« Ob er damit seine kleinkriminellen Neigungen oder das Medaillon an sich meinte, konnte ich ihn nicht mehr fragen, denn schon richtete er sich zu seiner vollen - wenn auch bescheidenen - Größe auf und räusperte sich. »Es gibt ein paar unumstößliche Regeln, aber weil wir dazu noch nicht gekommen sind, will ich ein Auge zudrücken. Dieses eine Mal.«
    »Und welche wären das?«, fragte ich möglichst unschuldig. Weil ich heute Abend zwei Regeln umgangen hatte. Und ich hatte das Gefühl, Deacon zu erzählen, dass Alice jetzt Dämonen tötete, war möglicherweise ein noch größeres Vergehen als der Besuch bei meiner Schwester.
    »Der Dämon«, sagte er. »Ich habe meine Informanten, Kleine, und von denen habe ich erfahren, dass du den Grykon fein säuberlich aus dem Weg geräumt hast.«
    Ich war vollkommen verwirrt. »Den Grykon ? Meinst du die Höllenbestie in der Gasse? Da habe ich eine Regel gebrochen? Hast du sie noch alle? Genau das sollte ich doch tun! Bring das Vieh um, belass es nicht bei Kopfschmerzen - das hast du doch gesagt, oder etwa nicht?«
    »Dass du den Grykon getötet hast, gibt einen fetten Pluspunkt auf der Habenseite, keine Frage. Ein Problem haben wir nur mit den Begleitumständen.«
    »Aha.« Wie befürchtet kam das dicke Ende noch. Offenbar war ihm Deacon doch nicht entgangen.
    »Du solltest allein arbeiten, Kleine.

Weitere Kostenlose Bücher