Erwacht
ich leise.
Griffin und Magda hätten gar nicht schneller aus dem Zimmer verschwinden können. Ich glaube, sie hatten sich schon zentimeterweise der Tür angenähert. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass Magda das Ganze gefiel.
Phoenix dagegen blieb, wo er war. »Nein«, sagte er. »Letztes Mal, als ich dich allein gelassen habe … Nein.«
»Phoenix, bitte, ich kann nicht darüber reden, wenn du im Raum bist. Ich weiß, dass ich viel von dir verlangt habe, ich weiß, dass du mich bestimmt schrecklich findest, aber bitte gib mir diese eine Minute.«
Seine Arme fielen von meiner Taille und seine andere Hand wanderte zu meinem Gesicht. »Ich finde dich nicht schrecklich. Das könntest du niemals sein. Es ist nur …« Sein Blick huschte zu Lincoln. »Er versucht dich zu manipulieren und er regt mich auf … wahnsinnig.«
Er starrte Lincoln hasserfüllt an und wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Er liebt dich, Violet. Aber ich hoffe, er hat dir erklärt, dass Grigori-Partner nicht zusammen sein können. Es gibt keine Möglichkeit für ihn, dich jemals zu haben, und doch will er verhindern, dass dich irgendein anderer für sich gewinnt. Überall verströmt er seine Liebe zu dir. Das ist plump, es ist … ziemlich unschön.« Er verzog das Gesicht ein wenig. Ich blieb ganz still und versuchte, nicht zu reagieren – nicht einmal, als Phoenix mir sagte, dass Lincoln mich liebte.
»Aber ich liebe dich auch«, fuhr Phoenix fort.
Seltsamerweise konnte ich dieses Gefühl nicht von ihm spüren, als er es sagte. Das Einzige, was ich spürte, war Zorn, aber er schien nicht von ihm zu kommen – es musste mein eigener sein.
»Jetzt wo du das weißt«, fuhr er fort, »frag ich dich: Ist es sicher für mich, dich hier mit ihm allein zu lassen?«
Widersprüchliche Gefühle tobten in mir. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich ihn liebte, und zu sagen, dass ich es versuchen wollte, würde auch nichts bringen. Was aber noch schlimmer war – wahrscheinlich konnte er meine Gefühle ohnehin lesen.
Ich begnügte mich mit den Worten: »Du kannst mir vertrauen.«
Er stolzierte hinaus und warf Lincoln dabei einen letzten verächtlichen Blick zu, der seinerseits einen ganz besonderen Blick zurückschoss.
Lincoln ging zu seinem Kleiderschrank hinüber und nahm sich ein frisches T-Shirt. Er sagte nichts, sondern begnügte sich damit, Dinge von einem Platz zum andern zu befördern, indem er sie mit übermäßigem Schwung durch die Gegend schleuderte. Er wickelte den letzten dicken Verband ab, der seinen Oberkörper bedeckte, so dass seine Brust nackt war. Dann nahm er ein Tuch aus einer mit Wasser gefüllten Schüssel auf der Kommode und wischte damit den Rest des getrockneten Blutes ab, bevor er das frische T-Shirt anzog. Noch immer mit dem Rücken zu mir riss er ein Bild von der Wand und schleuderte es quer durch das Zimmer.
»Das habe ich dir geschenkt«, sagte ich ruhig und schaute das Gemälde auf dem Boden an.
Er atmete schwer. Ein Teil von mir wünschte sich nichts sehnlicher, als aus dem Zimmer zu rennen, vor dieser Unterhaltung wegzulaufen. Der andere Teil wollte ihn trösten, die Hand nach ihm ausstrecken.
»Sag es mir.« Er zitterte fast, weil es ihn so viel Mühe kostete, sich zu beherrschen.
»Was, Linc? Was genau willst du wissen?« Vertraute Abwehrmechanismen kamen zurück und dafür war ich dankbar. Wir waren erst seit ein paar Minuten wieder zusammen und stritten uns bereits.
»Hast du mit ihm geschlafen?«
»Ja«, sagte ich, entschlossen, mich nicht herumschubsen zu lassen; niemand sollte mich dazu zwingen, mich zu rechtfertigen. Nicht nach allem, was passiert war.
Er wandte sich mir zu, Schmerz glitzerte in seinen Augen. »Liebst du ihn?«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Aber du bist mit ihm zusammen?«
»Ja.«
»Und was ist mit mir, Violet? Liebst du mich?«
»Das ist nicht fair.« Ich schaute auf meine Füße hinunter; meine Hose war voller Schmutz und getrocknetem Blut.
Er stieß ein sarkastisches, leeres Lachen aus. »Vieles ist nicht fair. Es ist nicht fair, dass ich derjenige sein musste, der dich zum Grigori trainiert. Es ist nicht fair, dass ich dir nicht die Wahrheit sagen konnte, auch wenn ich wusste, dass du mich dafür hassen würdest. Es ist nicht fair, dass ich im Sterben lag und dadurch den Ausschlag für deine Zusage gegeben habe, was dir nur noch mehr Gründe liefert, mich von dir zu stoßen. Es ist nicht fair, dass ich weiß, wie großartig wir zueinander passen würden, außer
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