Erwacht
wirken. Vielleicht solltest du gerade jetzt normale Dinge tun, um bei Verstand zu bleiben.« Ihre Augen leuchteten. »Und morgen Abend fangen wir damit an!«
Man konnte sich darauf verlassen, dass Steph immer einen Silberstreif fand. »Was ist morgen Abend?« Misstrauisch zog ich die Worte in die Länge.
Sie schenkte mir ihren besten unschuldigen Blick, der natürlich genau das Gegenteil bedeutete.
»Du und ich gehen aus. Im Hades gibt es eine Party und mein Bruder hat Karten übrig.« Sie klappte ihr
Handy auf und begann, eine SMS zu schreiben. »Ich verstehe, dass alles verrückt ist, aber du musst ein bisschen Spaß haben und den ganzen Kram eine Weile vergessen.«
Die Idee klang gar nicht mal so schlecht. »Legt Jase auf?«, fragte ich.
»Ja, und er hat mir versprochen, dass er noch ein paar Leute auf die Gästeliste setzen kann, wenn wir hingehen wollen.« Das Telefon piepste. »Und«, sagte sie, als sie die SMS las, »es ist alles organisiert – vier Karten extra für uns!« Sie ließ das Handy zuschnappen.
Ich ließ zu, dass sich ein Lächeln in mein Gesicht schlich, als ich an eine normale wilde Nacht mit Steph dachte. »Ich glaube, es würde nicht schaden, einen Abend auszugehen.«
»Genau. Ich rufe Marcus an und frage ihn, ob er mitkommt. Vielleicht kannst du Phoenix mitbringen.«
»Oh, ja klar …«
Tatsächlich hatte ich Phoenix ein paar Tage nicht gesehen. Nach der Prüfung und nach Lincolns Heilung hatte ich um eine Atempause gebeten, nur um meinen Kopf freizubekommen. Es hatte gutgetan, zu Hause freiwillig eingesperrt zu sein. Zeit für mich selbst zu haben.
»Da ist etwas, was du über Phoenix wissen solltest.«
»Was? Sag mir nicht, dass er auch ein Grigori ist. Ich fange an, mich wie ein Außenseiter zu fühlen!«
»Nein. Definitiv kein Grigori.« Wie sollte ich es ihr sagen? »Er ist irgendwie so eine Art … verbannter Engel«, sagte ich, wobei meine Stimme mit jedem Wort eine Oktave höher rutschte.
»WAS? Phoenix ist ein Engel? Du bist mit einem ENGEL zusammen?«
»Einem verbannten Engel«, verbesserte ich.
Ein paar Sekunden lang war sie vor Schreck wie gelähmt, aber dann fuhr sie fort. »Ich kann nicht fassen, dass du mir das nicht gesagt hast. War er gut oder war er schlecht?«
»Wie meinst du das?«, fragte ich, weil ich es nicht ganz verstand.
»Äh … hallo? Ich meine, als er noch einen Heiligenschein und Flügel hatte.«
Ich verdrehte die Augen.
»Du weißt schon, war er einer von den … wie immer man sie nennt – Engel des Lichts oder Engel der Finsternis oder wie auch immer? Was für einer war er?«
Bei mir begannen die Alarmglocken zu läuten, als die Bedeutung von Stephs Worten bei mir ankam. Ich meine, wenn sie erst mal auf der Erde waren, waren sie irgendwie alle vom selben Schlag, aber das hieß ja nicht, dass ihre Vergangenheit nicht mehr zählte. Engel des Lichts und Engel der Finsternis waren sehr unterschiedliche Wesen.
»Ich habe ihn nie gefragt«, sagte ich geistesabwesend.
»Was meinst du mit nie gefragt ?«
Eine Pause entstand, bevor ich darauf reagierte. »Natürlich ein Engel des Lichts. Er war fantastisch. Glaub mir, ich bin einem Engel der Finsternis begegnet und Phoenix ist überhaupt nicht so. Er war ein Engel des Lichts.« Noch als ich das sagte, konnte ich spüren, wie sich Zweifel in mir regten. Ich schob sie beiseite. »Phoenix ist sowieso nicht wie andere Verbannte – er ist anders.« Wieder merkte ich, dass ich gar nicht genau wusste, was das bedeutete. »Ich rufe ihn heute Abend an und frage, ob er Zeit hat«, sagte ich und setzte damit einen Schlussstrich unter meine außer Kontrolle geratenen Gedanken.
Steph beobachtete mich einen Augenblick lang, klopfte mit den Fingernägeln auf die Tischplatte und platzte dann heraus: »Hör mal, ich verstehe, warum du so verletzt bist wegen Lincoln, aber glaubst du wirklich, dass jetzt die richtige Zeit ist, sich auf jemand anders einzulassen? Du hast zwar vielleicht nie eine echte Beziehung zu Lincoln gehabt, aber in manchen Dingen wart ihr beide wie ein altes Ehepaar. Du warst in ihn verliebt – absolut verliebt.«
Ich wollte wirklich nicht darüber reden. Ich spürte, dass es irgendwie nicht ging .
»Du bist diejenige, die gesagt hat, ich soll Spaß haben. Im Moment ist jedenfalls Hass das Einzige, was ich für Lincoln empfinde.« Die Worte kamen aus meinem Mund, aber es hatte sich trotzdem nicht so angefühlt, als würde ich sprechen.
»Wow, Vi, okay, ich spüre deine Wut. Schon
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