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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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gesprochen hatte, war meine Wut auf Lincoln am Überkochen.
    »Das war etwas anderes«, murmelte Lincoln.
    Ich sagte nichts mehr und Griffin ging dieses Mal nicht dazwischen. Ich war einfach erleichtert, dass er nichts dagegen sagte, dass ich es Steph erzählt hatte. Stattdessen fing er an, in der Wohnung herumzulaufen und sich die Bilder anzuschauen. Vor einer meiner Lieblingsfotografien im Wohnzimmer blieb er stehen – ein offenes Feld in rabenschwarzer Nacht, das von einem Blitz erleuchtet wurde; er strahlte die Silhouette des Feldes und eines kleinen, weißen Torhauses in der Ferne an. Ich war froh, dass Griffin die Schönheit des Bildes zu schätzen wusste.
    Schließlich brach Lincoln das Schweigen. »Trotzdem sollte jemand bei dir sein«, sagte er, eiskalt.
    »Das geht in Ordnung. Phoenix kommt mit«, konterte ich.
    Ich versuchte, den Schock über meine Bereitwilligkeit, Schläge unter die Gürtellinie zu verteilen, zu verbergen, indem ich die schmutzigen Tassen in die Spülmaschine räumte. Ich musste innehalten und mich an der Thekenkante festhalten. Ich klammerte mich wirklich fest daran und wusste nicht, ob aus Scham oder aus dem Bedürfnis heraus, mich zur Zurückhaltung zu zwingen. Obwohl ein Teil von mir spürte, dass ich ihn verletzte, wollte ich immer noch weitermachen. Du bist krank im Kopf, Vi – absolut durchgedreht!
    Griffin kam wieder zu uns. »Wir gehen morgen raus zu einigen der üblichen Schlupfwinkel und versuchen, Joel und Onyx ausfindig zu machen.«
    »Ich werde da sein«, sagte ich, bevor er noch fragen konnte.
    »Wirklich?« Lincoln schien überrascht.
    »Wie auch immer es dazu gekommen ist, Lincoln, ich bin jetzt eine Grigori.«
    »Dann ist das also abgemacht«, sagte Griffin. »Aber wenn es dir nichts ausmacht, Violet, wäre es schon gut, wenn jemand von uns zumindest bis heute Abend in deiner Nähe bleibt.«
    Ich warf einen Blick auf Griffin und seufzte. Er hing über einer Stuhllehne, so erschöpft, dass er kaum noch den Kopf heben konnte. Lincoln saß auf einem Barhocker und schaute überallhin, nur nicht in meine Richtung. Ich hatte das Gefühl, dass er genauso wenig mit mir hier festsitzen wollte wie ich mit ihm.
    »Ich bleibe«, sagte er, ohne aufzublicken.
    Ich wusste, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht wollte, würde Griffin sofort anbieten, an seiner Stelle zu bleiben. »Gut«, brummte ich.
    Griffin verließ den Raum so überstürzt, dass es schon fast wieder komisch war. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Lincoln und ich gemeinsam darüber gelacht hätten.
    Nun schlichen wir nur verlegen in der Wohnung herum, vermieden es, dem anderen zu nahe zu kommen, und ließen das Schweigen immer länger werden. Nachdem er schließlich zum vierundsiebzigsten Mal – jawohl, ich zählte mit – durch den Flur getigert war, kam er zurück und setzte sich gegenüber von mir auf die Couch, wo ich langsam meinen dritten Kaffee schlürfte.
    »Weißt du, du musst das nicht alles allein bewältigen. Du darfst dir von uns helfen lassen. Wir haben das selbst auch durchgemacht.«
    Meine Schutzmechanismen waren aktiviert, noch bevor ich es merkte. »Ja, ich nehme an, als du herausgefunden hast, dass du ein Grigori bist, hast du es einfach als große Berufung betrachtet und bist zur Prüfung gerannt.«
    »Stell dir vor, nein.«
    Ich sagte nichts mehr, weil ich Angst davor hatte, was aus meinem Mund kommen könnte, wenn ich ihn wieder aufmachte. Lincoln stand auf und öffnete die Schiebetür, die hinaus auf die Terrasse führte. Ich folgte ihm nach draußen. Einen Moment dachte ich ehrlich daran, es nicht zu tun – aus Angst, ich könnte ausflippen und ihn über die Brüstung werfen. Das bin ich nicht.
    »Meine Mum hat noch gelebt, als ich es herausfand, aber sie war krank und hatte große Mühe, ihre Geschäfte zu führen. Griffin fand mich und nahm mich sozusagen unter seine Fittiche. Zuerst wollte ich nichts damit zu tun haben. Ich dachte, er sei eine Art Priester, der eine Gehirnwäsche mit mir machen will, damit ich einer Sekte beitrete.«
    »Setzte er nicht einfach seinen Wahrheitszauber bei dir ein?«
    »Letzten Endes dann doch. Er setzt ihn nicht gern ein, es sei denn, es muss sein. Als er es tat, begann ich, die Sinneswahrnehmungen zu empfinden. Nicht so wie du, aber genug, um dieses Déjà-vu-Gefühl zu bekommen. Das in Verbindung mit Griffins Macht half mir, die Augen zu öffnen und zu sehen, was um mich herum vorging.«
    Er schaute zu Boden, die Ellbogen auf das Geländer

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