Erwacht
rief Griffin an und vereinbarte mit ihm, dass er bei mir vorbeikommen sollte. Er klang, als hätte er überhaupt nicht geschlafen, und machte einen fiesen Kommentar über mein Verschwinden, aber er meinte es nicht so. Ich glaube, er war einfach zu müde, um eine Standpauke zu halten. Er wusste, dass wir reden mussten.
Während ich auf Griffin wartete, steckte ich eine Ladung Wäsche in die Waschmaschine und räumte die Wohnung ein bisschen auf, weil die Putzfrau später kommen sollte. Ich überlegte, ob ich Steph anrufen sollte, um schon mal anzufangen zu Kreuze zu kriechen, aber dann überlegte ich es mir anders. Es war noch immer früh am Morgen und jede Aktion vor der Mittagszeit konnte als feindlicher Akt eingestuft werden. Ich wollte nicht riskieren, mir selbst noch ein tieferes Grab zu schaufeln.
Als ich wieder in die Küche kam, sah ich, dass ich eine neue SMS bekommen hatte.
Griffin hat mich gebeten, mitzukommen. Hoffe, das ist okay. Linc.
Ich schaute auf die Uhr auf meinem Handy; sie konnten jede Sekunde eintreffen. Mir blieb keine Zeit, mich emotional oder physisch vorzubereiten. Ich legte mein Gesicht in die Hände und lachte verzweifelt. Konnte alles noch verrückter werden?
In diesem Augenblick klingelte es. Auf dem Weg zur Tür ging ich am Spiegel vorbei. Ich wusste, ich hätte nicht hineingeschaut, wenn nur Griffin auf der anderen Seite gewartet hätte. Verdammt.
Ich blieb kurz stehen und wappnete mich, Lincoln gegenüberzutreten. Ich wusste, dass sein Anblick noch immer Wirkung auf mich hatte, egal wie wütend ich auf ihn war. Das war immer so. Ich machte die Tür auf und seine grünen Augen blickten mich an, und ich blickte ihn an und … nichts. War ich endlich über ihn hinweg?
Ich machte Kaffee und musste nur Griffin fragen, wie er ihn trank. Für Lincoln hatte ich eine Million Tassen zubereitet und wusste, dass er einen doppelten Espresso mit einem winzigen Spritzer Milch wollte, und wenn man ihn fragte, wie viel Zucker, würde er sagen, einen Löffel, aber eigentlich hatte er gern zwei.
Als wir uns auf die Couch setzten, bemerkte ich, dass Lincoln mich anstarrte. Etwas irritierte ihn.
»Hast du überhaupt Zucker hineingetan?« Er deutete auf den Kaffee, an dem er gerade genippt hatte.
»Nein«, sagte ich gleichermaßen irritiert. Ich wollte aufstehen, aber er erhob sich selbst und schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge. Ich hol ihn mir«, sagte er.
Griffin bemerkte die Spannung, die in der Luft lag. »Hört mal, wenn ihr beiden euch benehmen wollt wie Zwölfjährige, dann klappt das nicht. Für den Fall, dass ihr es noch nicht gemerkt habt – wir haben es hier im Moment mit einem ziemlich dicken Problem zu tun.«
Schuldbewusst blickte ich zu Boden.
»Tut mir leid, Griff«, sagte Lincoln hinter mir. »Uns geht es gut, richtig, Violet?«
Sein herablassender Ton entging mir nicht.
»Es geht uns großartig«, sagte ich und wandte mich mit schmalen Augen um. Ich war versucht hinzuzufügen, dass er sich nicht einmal daran erinnern könnte, wie sich Zwölfjährige verhielten, weil er so verdammt alt war, aber irgendwie schaffte ich es, meinen hasserfüllten Mund zu halten. Stattdessen wandte ich mich wieder Griffin zu. »Mir tut es auch leid.« Es kam nicht oft vor, dass ich mich fühlte, als wäre ich von meinen Eltern ausgeschimpft worden. Griffin im Stich gelassen zu haben, enttäuschte mich selbst am meisten.
Wir gingen die Einzelheiten der vergangenen Nacht durch und ich füllte die Lücken. Lincoln schien erstaunt. Das wunderte mich nicht; für mich war das alles ebenso unwirklich. Griffin hörte aufmerksam zu und unterbrach mich nicht, bis ich die Nacht komplett noch einmal durchlebt hatte.
»Ich denke, du wurdest manipuliert«, sagte Griffin.
»Hä?«
»Als Grigori sollten deine Verteidigungsmechanismen stärker sein. In Anbetracht dessen, was wir von deinen Stärken gesehen haben, solltest du sie ohne Schwierigkeiten daran hindern können, sich in deine Träume, deine Vorstellungen zu schleichen. Sie benutzen ihre Kräfte, um dich irgendwie durcheinanderzubringen«, erklärte Griffin.
»Das verstehe ich nicht. Ich dachte, wenn ich erst mal eine Grigori bin, würden mich meine Kräfte beschützen. Willst du damit sagen, dass diese Psycho-Verbannten in der Lage sind, wann immer sie wollen in meine Träume einzudringen und mich auszuschicken, um Leichen zu finden?«
Am liebsten hätte ich etwas geworfen – oder geweint. Es war einfach zu viel für meinen Kopf. All das, was
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