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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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an Sticheleien.
    Er reagierte, wie ich mir erhofft hatte; er schüttelte den Kopf. »Also gut, Violet«, sagte er resigniert. »Schauen wir mal, wie stark du wirklich bist.«
    Ich machte keine Pause, um nachzudenken, konnte keine Pause machen. Ich steckte alle Kraft, die ich hatte, in einen einzigen Schlag, der auf Lincolns Brust gerichtet war. Darin lag aller Hass und Zorn, den ich ihm gegenüber hegte.
    Mit einer Bewegung, die so schnell war, dass ich sie nicht einmal sah, fing Lincoln meine Hand in seiner, fing die Wucht des Schlages auf und stoppte ihn. Mein Kiefer klappte herunter, als ich die Ungeheuerlichkeit seiner Macht spürte. Seine Hand, die die meine mit überraschender Zärtlichkeit umfasste, ließ los.
    Griffin trat zwischen uns. »Genug. Wir haben, was wir brauchten. Du bist stark, Violet, vor allem für eine Anfängerin. Ich habe kaum jemals einen Anfänger gesehen, bei dem Lincoln überhaupt ins Schwitzen geraten wäre. Dein Problem liegt nicht im Angriff«, sagte er.
    Ich trat zurück und versuchte, das alles zu verarbeiten, vor allem meine eigene Einstellung, meinen eigenen Hass. Allmählich fühlte ich mich buchstäblich außer Kontrolle. Die Frage war, wenn ich die Kontrolle nicht hatte, wer hatte sie dann?
    Ich schaute zu Lincoln hinüber, der hinter der Küchentheke stand und sein Gesicht wusch. Als er mich spürte, blickte er auf. Unsere Blicke hefteten sich aneinander und ich entdeckte Schmerzen, nur einen Moment lang. Blutergüsse bildeten sich seitlich auf seinem Gesicht.
    Ich zeigte darauf. »Ich könnte versuchen, sie zu heilen.«
    Es sollte ein Friedensangebot sein, aber es war zu spät. Er warf das Handtuch weg, mit dem er sich das Gesicht abgetrocknet hatte. »Vergiss es. Ich bin nicht in Stimmung.«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, um es zu verstehen. Als es mir dann dämmerte, brannte mein Gesicht vor Demütigung. »Ich … ich habe nicht angeboten, dich zu küssen … das meinte ich nicht.«
    »Wie ich bereits sagte: Vergiss es.« Mir fiel auf, dass er nicht angeboten hatte, meine Blutergüsse zu heilen.
    »Und was jetzt?«, fragte ich Griffin. Er rieb sich die Stirn, er sah abgespannt aus. Die Ringe unter seinen Augen wurden von Minute zu Minute dunkler.
    »Ich weiß nicht. Nach der letzten Zählung müssten Joel und Onyx etwa fünfzehn Mann stark sein. Das sind viele Verbannte, mit denen man fertigwerden muss, vor allem, weil wir dauernd gute Grigori verlieren. Sie picken uns einen nach dem anderen heraus und sorgen dafür, dass wir darüber Bescheid wissen.«
    »Haben sie mich deshalb letzte Nacht zu der Leiche geführt … zu Angus?«
    »Teilweise schon, nehme ich an.«
    »Griffin«, unterbrach ihn Lincoln, »es gibt einen Grund dafür, dass sie Violet ins Auge fassen. Sie haben Angst vor ihr, aber alles, was sie letzte Nacht getan haben, war, uns einen Hinweis zu liefern, dass es ein Problem mit ihren Kräften gibt. Wir müssen den Grund dafür finden.«
    »Vielleicht habe ich einfach nur einen Schaden«, warf ich defensiv ein. Er biss nicht an, stattdessen schaltete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Null. Seine Beherrschung war beeindruckend und irritierend zugleich.
    »Wie dem auch sei«, schritt Griffin wieder ein, »wir sollten vermutlich dafür sorgen, dass jemand bei dir ist, damit das nicht noch einmal passiert. Lincoln? Kannst du heute Nacht bei ihr bleiben?«
    Mein Mund klappte auf. »Nein!«
    Lincoln stieß ein bitteres Lachen aus und schüttelte wieder den Kopf. Ich kam mir vor, als wäre ich fünf Jahre alt.
    »Ähm … was ich meinte, war …«, sagte ich, während ich versuchte, wieder ein wenig Fassung zu erlangen. »Ich habe heute Abend schon was vor.«
    »Du gehst aus?« Lincoln sprach leise, aber seine Missbilligung kam laut und deutlich rüber.
    »Ja. Ich meine … Steph hat mich zum Ausgehen verdonnert. Sie sagte, ich bräuchte einen Ausgleich.«
    »Steph und Ausgleich? Das würde ich gern sehen. Wenn ich das richtig verstehe, hast du sie also eingeweiht.«
    Ich war mir immer noch nicht sicher, ob das erlaubt war, aber niemand hatte mir etwas Gegenteiliges gesagt. Ich zuckte die Achseln. »Ich habe keine Geheimnisse vor meiner besten Freundin.«
    Er schwieg. Mir fiel ein, dass ich damit vielleicht seine Gefühle verletzt hatte … wieder einmal. Ich wurde mir mehr und mehr bewusst, wie einige der hasserfüllten Dinge, die ich zu ihm sagte, auf ihn wirken mussten. Nicht dass mich das aufgehalten hätte. Nachdem ich gestern mit Steph und danach mit Phoenix

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