Erwacht
Kaffeemaschine, die immer an war und heißlief. Unter Stephs wachsamen Augen bereitete ich uns einen Kaffee zu.
»Was soll ich deiner Meinung nach tun?«, sagte ich und warf die Hände nach oben. »Er möchte, dass wir einfach gute Freunde sind!«
Es wurde allmählich lästig, den Leuten ständig erklären zu müssen, dass sich Lincoln nicht für mich interessierte. Und abgesehen von dem offensichtlichen Grund, weshalb ich auf keinen Fall etwas unternehmen würde, wollte ich nicht aufs Spiel setzen, was wir hatten. Außer Steph und Lincoln hatte ich niemanden.
»Jetzt wo du fragst – ich hätte da möglicherweise eine Idee«, sagte Steph und lächelte dabei dieses Lächeln, das ich nur allzu gut kannte. Für gewöhnlich leitete es eine Katastrophe ein.
Ich verdrehte die Augen. »Kann ich es wagen, danach zu fragen?«
Steph machte es sich auf einem der Hocker an der Frühstückstheke bequem. Ich starrte sie an und wartete auf eine Antwort. Sie pustete in ihren Kaffee und machte es spannend.
»Hast du jemals den Spruch ›Bonbons sind fein, aber gib mir den Wein‹ gehört?«
Großartig, sie wollte, dass ich mich betrank. »Ah … jemals etwas von Minderjährigkeit gehört?«
»Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, sagte sie sachlich.
»Darin besteht dein großartiger Plan?«
Sie setzte ihre Tasse ab, schüttelte den Kopf und seufzte übertrieben, als wollte sie sagen: Was mache ich bloß noch mit dir? »Nur ein paar Drinks, dann kannst du ihn ganz unverblümt fragen. Wenn er sagt, dass ihr einfach nur gute Freunde bleiben sollt, dann ist das zwar peinlich, aber du kannst einfach so tun, als hättest du einen sitzen. Danach kannst du abstreiten, dass das überhaupt passiert ist, und ihr zwei könnt zu eurer komischen Abenteuer-Sport-Freundschaft zurückkehren. Aber: Wenn er etwas Anderes sagt, dann …« Sie breitete ihre Arme weit aus. »Voilà!«
Ich musste zugeben, dass die Idee Potenzial hatte.
Als die Türsteher bei unserer Ankunft im Hades die glänzend schwarzen Türen für uns öffneten, musste ich mir eingestehen, dass ich mich trotz meinem Gejammer gut fühlte in meinem neuen Kleinen Schwarzen. Das Besondere daran war der Rücken des Kleides – vielmehr die Tatsache, dass es keinen hatte. Der Stoff begann knapp über meinem Hintern, gewagt weit unten, und es ließ meinen gesamten Rücken frei, abgesehen von zwei dünnen Trägern. Steph hatte sich um alles gekümmert, sie kaufte mir sogar so einen halterlosen Haftschalen-BH als Geburtstagsgeschenk. Zuerst glaubte ich gar nicht, dass er funktionieren würde, aber nach ein paar Versuchen, die Haftschalen zu befestigen, die uns vor Lachen die Tränen in die Augen trieben, blieben sie an Ort und Stelle. Ich war selbst überrascht, als ich danach in den Spiegel schaute. Um das Outfit abzurunden, hatte ich mein dunkles Haar zu einem glatten Pferdeschwanz zusammengefasst, der gerade über meinen Rücken fiel.
Wir gingen hinein und stellten fest, dass das Lokal bereits rappelvoll war. Auf der anderen Seite des Restaurants entdeckte ich Dad, der mir wie ein Bescheuerter winkte. Steph machte dem gut aussehenden Kellner, der uns zu unserem Platz führte, schöne Augen. Wir hatten einen Tisch unter zahllosen überwältigenden Kronleuchtern in einem Bereich, der mit üppigen, langen scharlachroten Stoffbahnen abgetrennt war. Während wir dem Kellner folgten, drehte er sich um und ertappte Steph dabei, wie sie seinen Hintern angaffte. Er zwinkerte ihr zu – offensichtlich war er geübt darin, seine Gäste bei Laune zu halten und dabei auf ein dickes Trinkgeld zu spekulieren. Steph war natürlich mehr als angetan.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich im Barbereich eine Kellnerin mit hellrotem Haar. Sie kam mir bekannt vor.
»Du siehst wunderschön aus, Violet«, sagte Dad und stand auf, als wir kamen. »Du auch, Steph. Rot ist definitiv deine Farbe.«
Steph lächelte. Ihr rotes Minikleid war eine Hommage an die Achtzigerjahre. Sie hatte ein Talent dafür, Neues retro aussehen zu lassen, und mit ihrer schlanken Figur und dem schrillen weißblonden Haar erzielte sie immer eine dramatische Wirkung.
»Na komm schon«, flötete Dad. »Dreh dich mal.« Er beschrieb mit dem Finger einen Kreis in der Luft.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und drehte mich langsam, damit sie die Rückansicht des Kleides voll und ganz genießen konnten. Als ich mich wieder zu ihnen umwandte und die Pose eines Models einnahm, erstarrte ich. Aus dem Nichts war Lincoln aufgetaucht.
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