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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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»Eine der Eigenschaften der Grigori besteht darin, dass wir langsamer altern, und zwar immer langsamer, je älter wir werden.«
    Ich schaute zu Lincoln hinüber. Er lehnte an der Küchentheke und blickte zu Boden. Noch eine Lüge.
    Meine Stimme war ruhig, denn ich verstand selbst noch nicht ganz, was ich gleich sagen würde. »Bin ich … unsterblich?« Ich kam mir blöd vor, es überhaupt auszusprechen.
    Griffin lächelte dieses Mal aufrichtiger und es war mir auf der Stelle peinlich, überhaupt gefragt zu haben. »Leider Pech gehabt. Wir sind immer noch halb Mensch. Wir sind zwar stärker und robuster als normal, dennoch sind wir anfällig für Verletzungen und damit zwangsläufig für die Sterblichkeit.«
    Wenigstens der Tod war noch immer eine Gewissheit – dass mich das erleichterte, war ein Anzeichen dafür, wie schlimm das alles war.

KAPITEL ZEHN
    »Das soll der Lohn sein und dein Teil, den ich dir zugemessen habe …«
    JEREMIA 13, 25
     
    A lles kam zum Stillstand. Nicht nur um mich herum, sondern in meinem Kopf. Etwas hinderte mich daran, zu verarbeiten, was ich hörte. Schließlich erfährt man nicht jeden Tag, dass man ein Halb-Engel ist.
    Griffin ging nach draußen, um einen Anruf anzunehmen, und ließ mich zum ersten Mal mit Lincoln allein. Ich hatte mich so bemüht, ihn zu ignorieren, wie er da in der Küche gestanden und uns nervös beobachtet hatte, während Griffin erklärte, warum er mich seit unserer ersten Begegnung angelogen hatte. Erneut stiegen Tränen in mir auf, als ich in seine Richtung schaute.
    »Erklär es mir, Linc.« Meine Stimme zerschnitt die Stille und er erschrak ein wenig, als er hörte, dass ich mit ihm sprach. »Warum Klettern, warum Marathonlaufen?« Ich klang beleidigt und kindisch. Das war mir egal.
    Er richtete sich auf und kam ein wenig auf mich zu, wobei er aber immer noch Sicherheitsabstand hielt. »Training. Das sind alles Varianten von dem, was wir tun, wenn wir einen Grigori ausbilden. Ich dachte mir, wenn du schon einen Teil der Arbeit leisten könntest, bevor du volljährig wirst, hättest du einen Vorsprung und wärst stärker.« Er sah aus, als wollte er noch mehr sagen, aber er hielt sich zurück. Stattdessen schaute er mich mit hoffnungsvollem Blick an.
    »Solange ich dich kenne, hast du mich angelogen.« Ich kam mir bescheuert vor bei dem Gedanken, dass er einfach so in mein Leben spaziert war, ohne dass ich es je hinterfragt hatte. »Du hast getan, als wärst du mein Freund. Hast mir gesagt, ich solle dir vertrauen …« Ich hätte mich am liebsten übergeben. Er hatte gesagt, er würde mich beschützen. War das auch nur eine weitere Lüge?
    »Ich habe dir meine Geheimnisse erzählt.« Ich stand auf und ging langsam auf ihn zu. Meine Knie zitterten. »Ich hab mir erzählen lassen, das wäre okay. Ich habe dir geglaubt.« Ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen, aber ich war noch nicht fertig. Ich wusste, dass ich noch etwa dreißig Sekunden Zeit hatte, bis ich komplett die Fassung verlieren und nicht mehr würde sprechen können. Er schwieg.
    »Wie blöd war ich eigentlich zu glauben, dass du mich magst?« Ich schüttelte den Kopf und musste über mich selbst lachen. Ich war fast so böse auf mich selbst wie auf ihn. Fast. »Du musst mich für ziemlich armselig gehalten haben. Und ich hatte tatsächlich geglaubt, ich würde dich lieben …« Ich bewegte mein Füße, während die Tränen strömten. »Du hast dir nie etwas aus mir gemacht.« Meine Hand ballte sich zu einer Faust, ich hatte die Wut, die sich in mir aufstaute, nicht mehr unter Kontrolle. »Du wolltest mich nur in eine Art Kämpferin verwandeln, eine Kriegerin für deine bescheuerte Sache!«
    Ich holte aus und schlug ihm mit der geschlossenen Faust ein Mal hart ins Gesicht – so wie er es mir in so vielen unserer Kick-Boxen-Stunden beigebracht hatte. Genau so hätte er es damals gern gehabt, aber ich hatte immer zu viel Angst gehabt. Angst, ihm wehzutun.
    Bestimmt hatte er es kommen sehen, aber er wich nicht aus. Er stand einfach nur da und steckte den Hieb ein.
    »Ich kenne dich nicht mal.« Die Worte flogen völlig emotionslos aus meinem Mund.
    Wie aus dem Nichts tauchte Griffin wieder auf, schlang von hinten die Arme um mich, wie bei einem Nahkampfgriff, und hinderte mich daran, Lincoln noch einmal zu schlagen. Das hätte ich jedoch ohnehin nicht getan.
    »Du hast sie gut ausgebildet, Lincoln«, sagte er ein wenig amüsiert. Langsam ließ er mich los. »Ich sage es nicht gern,

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