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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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Geschwindigkeit zurück. Wie konnte er vor mir hier sein?
    »Was machst du hier?«, sagte ich, noch immer keuchend von meinem Speedwalk nach Hause. Er sah alles andere als abgehetzt aus.
    Er winkte mit meinem Kunst-Tagebuch und lächelte, weil ihm klar war, dass er einen Vorwand gefunden hatte, mich wiederzutreffen. Wir wussten beide, dass das totaler Quatsch war, aber das schien er nur umso amüsanter zu finden.
    »Wie hast du herausgefunden, wo ich wohne?«, wollte ich wissen. Die Türen des Aufzugs gingen hinter mir zu. Am liebsten wäre ich wieder eingestiegen und davongelaufen. Er ist bei mir zu Hause. Verfolgte er mich?
    Sein Mund verzog sich in schuldbewusstem Vergnügen. »Ich gestehe, dass ich dich schon früher in dieses Gebäude habe kommen sehen. Ich wusste nicht, in welcher Etage du wohnst, aber der Portier war so freundlich, es mir zu verraten.«
    Großartig. Dem Portier würde ich später den Marsch blasen. Er war ein netter Typ, aber was Gebäudesicherheit anging ein totaler Versager.
    »Fairerweise muss man sagen, dass ich sehr überzeugend sein kann«, sagte Phoenix, als hätte er meine Gedanken erraten. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jeden einfach so nach hier oben lassen würde.« Meine Panik schien ihn zu erfreuen.
    »Du bist mir gefolgt.« Mein Mund war trocken, und obwohl ich versuchte, meine Stimme fest klingen zu lassen, wusste ich, dass ich ihm nichts vormachen konnte.
    »Nicht gefolgt, ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, mich vorzustellen. Es ist nicht leicht, dich allein zu erwischen.«
    Er war so relaxt, während ich total versteinert war, und er wusste, dass er die Situation total unter Kontrolle hatte. Ich tat das Einzige, was ich konnte – ich ließ meinem Zorn freien Lauf.
    »Genug! Du sagtest, du wärst keine Bedrohung, aber du bist ein Verbannter!« Nach allem, was Griffin sagte, konnte man Verbannten nicht über den Weg trauen.
    »Nicht alles ist schwarz-weiß, Violet. Glaub nicht alles, was man dir sagt. Ich bin … ich passe in keine von deinen kleinen Schubladen. Wie dem auch sei – wenn ich dich hätte verletzen wollen, dann hätte ich das schon längst gemacht.« Der Typ hatte eindeutig nicht viel Übung in der Kunst des Beruhigens.
    »Warum folgst du mir dann?«, stotterte ich.
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Folgen? Nein. Ich habe dich gestern Abend im Hades wahrgenommen. Ich witterte dich gleich, als du hereinkamst. Ich wollte dich … kennenlernen.«
    »Du verfolgst mich also seit meinem Geburtstag!«
    Er lehnte sich gegen unseren Türrahmen. »Ja. Und bevor du fragst, ja … ich habe es gesehen. Die besten Küsse sind immer die, die uns überrumpeln.« Versonnen starrte er ins Leere. Ich wollte gar nicht wissen, was er sich in diesem Augenblick vorstellte.
    »Du hast zugeschaut?« Ich war angewidert, wurde aber auch rot.
    »Normalerweise bevorzuge ich eine etwas aktivere Rolle, aber …«, er grinste verschlagen, »alles zu seiner Zeit.«
    Er spielte mit mir, köderte mich. Ich richtete mich auf und starrte herausfordernd zurück. Ich laufe nicht weg.
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich – ich war mir nicht sicher, aber er sah aus, als wäre er überrascht. Sein Blick fixierte meinen und ich konnte kaum wegschauen. Je länger ich ihn anstarrte, desto mehr fühlte ich, wie sich meine Zweifel verflüchtigten. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich mich von diesem Typ, diesem Verbannten, fernhalten musste, aber wenn ich ihm in die Augen schaute … nahm meine Angst so weit ab, dass ich mich dabei ertappte, wie ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen konnte, dass er gefährlich sein könnte. Ich war mir meiner bisherigen Befürchtungen zwar noch immer bewusst, aber mit jeder Sekunde schwanden sie ein wenig mehr. Das war verwirrend, und während ich spürte, dass er immer mehr Selbstvertrauen gewann, wurde ich immer unsicherer. Vorsichtshalber versuchte ich, wachsam zu bleiben.
    »Ich bin kein Grigori«, platzte ich heraus. »Ich habe nur dieses Engelwesen-Dings. Du musst gehen. Sofort.« Ich erwiderte seinen funkelnden Blick. Er blickte auf mein Kunst-Tagebuch in seiner Hand hinunter und hob es dann langsam hoch, um es mir zu geben. Zögernd machte ich einen Schritt in seine Richtung, und dabei schien die Wirklichkeit um mich herum plötzlich ins Wanken zu geraten. Ich konnte Flügelschlagen hören und das Zusammenstoßen von Blättern. Das war friedlich, brutal und gespenstisch zugleich. Übertönt wurde das Ganze von meinem Herzschlag, der

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