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Erwacht

Erwacht

Titel: Erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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versuchte, taff zu klingen, scheiterte aber. »Du machst dir keine Vorstellung. Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung, wie weit ›grauenerregend‹ gehen kann.« Ich senkte den Blick, weil ich nicht wollte, dass er sah, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
    »Du wärst überrascht«, sagte er selbstsicher.
    Ja, ja, jeder hatte doch mindestens eine Horrorgeschichte in petto.
    »Wer ist er?«
    Mein Kopf ruckte nach oben. »Wie bitte?«
    »Wer – ist – er?«, wiederholte er. »Keiner Frau geht es so schlecht, ohne dass nicht ein Typ mindestens einen Teil davon verursacht hätte.«
    Es gefiel mir, dass er mich als Frau bezeichnete und nicht als Mädchen, besonders weil er aussah, als wäre er um die zwanzig. Aber es war nicht schön zu hören, dass es für einen völlig Fremden so offensichtlich war, wie schlecht es mir ging. Zurschaustellungen von Schwäche waren nicht gerade mein Lebensziel.
    »Es ist kein …« Ich stieß einen langen Seufzer aus. »Lincoln.«
    »Hat er dich verraten?«
    »Verraten?«
    »Ja. Hat er dein Vertrauen missbraucht? Dich in die Irre geführt? War er grausam zu dir? Hat er dich im Stich gelassen?« Bei jeder Option wedelte er mit der Hand von einer Seite zur anderen. »Natürlich könnte ich auch fragen, ob er fremdgegangen ist, aber wir wissen beide, dass er das nicht getan hat. Vielleicht hat er dich angelogen, die Art von Lüge, die die Art und Weise verändert, wie du die Dinge siehst. Weißt du, als wenn eine Maske fallen würde und nichts übrig bleibt als die schreckliche Wahrheit. Es gibt vieles, was er getan haben könnte … Ich tippe auf Vertrauensbruch. Täusche ich mich?« Seine Augen weiteten sich.
    Woher wusste er, dass Lincoln nicht fremdgegangen war? Wie konnte er überhaupt etwas davon wissen? Es war, als hätte er mir ins Herz geblickt und all meine Gefühle herausgezerrt. Woher kam dieser Typ plötzlich? So redete doch keiner.
    Der Kellner kam mit meinem zweiten Kaffee, noch eine perfekte Ablenkung.
    »Danke«, sagte ich. Und das nicht nur in einer Hinsicht!
    Ich riss ein Zuckertütchen auf und rührte den Zucker in den Kaffee, wobei ich beides in die Länge zog. Es fühlte sich an, als hätte Lincoln all die Dinge getan, die Phoenix erwähnt hatte. Von all den Dingen war jedoch Vertrauensbruch das, was am besten zutraf.
    »Sagen wir einfach mal, ich habe eine dieser schrecklichen Wahrheiten herausgefunden.«
    »Und siehst du selbst dich jetzt anders?«
    »Ja«, gestand ich.
    »Siehst du ihn jetzt auch anders?«
    »Die Frage ist ein bisschen … persönlich.«
    »Da stimme ich dir zu, aber sie war nicht persönlicher als die Frage davor. Ich würde mich entschuldigen, aber andererseits ist es nur höflich, wenn ich mich danach erkundige, ob du schon vergeben bist, bevor ich …« Er lächelte vielsagend.
    Mir schnürte sich die Kehle zu. Damit hatte ich nicht gerechnet. Verlegen rutschte ich auf meinem Stuhl herum und versuchte, mir etwas Schlüssiges einfallen zu lassen.
    Phoenix lächelte und genoss mein Unbehagen. Und dann dämmerte es mir plötzlich und die Worte schlüpften aus meinem Mund, bevor ich sie zurückhalten konnte.
    »Du warst gestern Abend im Hades!«
    Er klopfte mit den Fingern auf den Tisch. »Ich fragte mich schon, wann du dich an unseren Tanz erinnern würdest. Normalerweise vergisst man mich nicht so leicht.«
    Ich ignorierte den Kommentar. Ich würde mich nicht von seinem großen Ego ablenken lassen. »Irgendwie komisch, oder? Dass wir uns heute wiedersehen.«
    »Ja, komisch, oder?«, war alles, was er sagte. Völlig unbeeindruckt.
    Ich legte die Finger um meinen Kaffeebecher und führte ihn langsam an den Mund, um Zeit zu gewinnen. Ich stutzte, als ich spürte, wie ein Vibrieren von Energie meinen Körper durchlief. Es war genauso, wie als ich Lincolns Armband gehalten hatte. Es ging vorbei, aber ebenso schnell wurde mir der Mund wässrig, wie es manchmal geschieht, bevor ich mich übergeben muss. Rasch setzte ich den Kaffee ab und ließ meinen Blick auf der Suche nach der Toilette durch den Raum schweifen. Dabei ging dieses Gefühl vorüber und wurde durch den Geschmack von … Äpfeln ersetzt. Er rollte durch meinen Mund wie fließender Strom. Ich schluckte und er verschwand.
    »Violet?«, fragte Phoenix und betrachtete mich neugierig.
    Es brauchte einen Augenblick, bis ich einen kläglichen Versuch unternahm, es wegzulachen. »Sorry, ich hatte gerade nur so ein Déjà-vu.«
    »Was für eine Art Déjà-vu?« Seine Augen wurden

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