Erwarte mich in Paris (German Edition)
nervtötendes Schrillen riss mich aus dem Schlaf. Wie eine gespannte Feder schnippte ich in die Höhe und sah mich schlaftrunken um. Diffuses Licht, das durch zugezogene Vorhänge auf eine dezente Blumentapete fiel, ein Fernseher auf einem niedrigen Sideboard, ein Bild an der Wand mit Zypressen, die sich in den Himmel schlängelten. Meine Fingerkuppen berührten den weichen Bezug der Couch, auf der ich saß. Christins Wohnung, durchfuhr es mich wie ein Blitz.
Ein neuerliches Schrillen ließ mich zusammenzucken. Panisch irrte mein Blick zur Tür. Doch das schrille Gellen wiederholte sich wieder und noch einmal. Gehetzt begann ich nach dem Telefon zu suchen. Neben der Eingangstür stand es. Ich sprang auf und eilte mit nackten Füßen über den Teppichboden, zu dem kleinen Schränkchen. Hier zögerte ich.
Sollte ich abnehmen? Und wenn ja, was sollte ich sagen?
Ein erneutes Klingeln, das in meinem Kopf auf ein Vielfaches anschwoll und ihn fast zum Platzen brachte, trieb mich dazu, den Hörer ans Ohr zu reißen.
„Hallo?“, fragte ich klanglos.
„So ein Glück, dass ich dich noch erwische.“
Die Anspannung fiel wie ein Mantel von mir ab, als ich Christins Stimme hörte.
„Hab ich dich etwa geweckt?“
Die Sekunde Pause, in der ich nicht antwortete, war ihr Antwort genung.
„Kein Wunder. Unsere Schlummerparty gestern ging doch ziemlich lang. Mir war nach deinem ersten Glas schon klar, dass du nichts verträgst.“
Kurz zuckten mir Bilder durch den Kopf, die mich über eine Toilettenschüssel gebeugt zeigten.
„Oh Gott! Tut mir echt leid!“, stöhnte ich.
„Ach, vergiss es. Hast es ja noch bis ins Bad geschafft. Aber weshalb ich anrufe … wartest du in meiner Wohnung, bis ich wiederkomme? Ich will dir nämlich was zeigen. Da wirst du staunen.“
Ich hörte ihr an, dass sie dabei lächelte.
„Warten? Wie spät ist es denn?“ Ich schlurfte zum Fenster und zog den Vorhang auf. Grelles Sonnenlicht stach mir in die Augen. Sofort kniff ich die Lider zusammen und presste mir die freie Hand auf die Augen.
Christin kicherte. „Es ist nach drei.“
Ich stöhnte auf und sah durch meine leicht gespreizten Finger auf den sonnenbeschienenen Häuserblock gegenüber.
„Mach dir nen Kaffee. Ich beeile mich. Mein lieber Chef hat heute sowieso andere Dinge zu tun, als mich herumzuscheuchen. Bis dann.“
Als Christin aufgelegt hatte, folgte ich ihrem Rat. Mit pochendem Schädel ging ich in die winzige Küche. Ein Kaffee würde mir sicher gut tun. Ich erinnerte mich kaum an das Ende des gestrigen Abends. Christin hatte mir irgendein Mixgetränk serviert. Es war süß, ließ sich einfach so wegtrinken und verscheuchte vor allem meine trübsinnigen Gedanken. Dann erinnerte ich mich nur noch an die demütigende Aktion im Bad.
Schnell wischte ich diese Bilder weg und begab mich auf die Suche nach dem Kaffee. Wenig später stand ich mit der Kaffedose in der Hand da und sah ratlos auf Christins vollautomatische Kaffeemaschine. Kurzentschlossen setzte ich einen Topf Wasser auf und brühte mir den Kaffee direkt in der Tasse. Dann begann ich durch die kleine Wohnung zu wandern. Sechs Schritte waren es bis zum Fenster, acht Schritte bis ins Bad, wo mir mein Spiegelbild aus blutunterlaufenen Augen entgegenstarrte und fünf Schritte wieder zurück zur Couch. Ich verstand nicht, wie man auf so engen Raum leben konnte. Aber wahrscheinlich würde ich mich irgendwann daran gewöhnen oder sagen wir lieber, gewöhnen müssen …
Erneut begann ich meine Wanderung durch die Wohnung. Vor Christins Schlafzimmertür blieb ich stehen. Ich legte meine Hand auf die Türklinke, zog sie dann jedoch wieder zurück. Ich wollte Christins Vertrauen nicht missbrauchen. Und Neugierde war eh keine meiner Eigenschaften.
Ich stand gerade am offenen Fenster, als die Tür sich öffnete und Christin endlich kam. Die Sonne warf mittlerweile einen Schatten auf den gegenüberliegenden Häuserblock. Ich hatte beobachtet, wie er langsam über die Fenster geglitten war. Meine Kopfschmerzen waren fast verschwunden. Der warme Wind, der hereinwehte und über mein Gesicht und meinen nackten Oberkörper strich, hatte sie weggeblasen.
„Abendbrot“, rief Christin und schwenkte mit einem Baguette. Erst jetzt bemerkte ich meinen Hunger.
„Außerdem habe ich dir noch was mitgebracht.“ Sie zog drei Hemden aus ihrer Tasche. Alle in verschiedenen Brauntönen. Sie sahen aus wie die,
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