Erwarte mich in Paris (German Edition)
sehen, in der Modewelt verschwimmt alles ein wenig.“
„Ich seh’ schon. Ohne deine Hilfe wär’ ich verloren.“ Ich verdrehte demonstrativ die Augen.
„Dann halt dich nur immer brav an mich“, antwortete sie und tätschelte meinen Arm. „Oh nein.“ Ihr Gesicht verfinsterte sich, als Tom auf uns zulief. „Was willst du schon wieder. Halt dich ja zurück …“
Tom drängte sie ohne große Mühe zur Seite. „Ich gratuliere dir zu deinem Debüt. Lief ja alles glatt.“
Er legte seinen Arm in einer freundschaftlichen Geste um meine Schultern. Doch ich spürte seine unterdrückte, zitternde Aggression. Wie Dampf stieg sie aus seinen Kleidern, unsichtbar, aber dennoch greifbar.
„Heute wird noch gefeiert … später … bei mir zu Hause. Nur du und ich. Du weißt schon, du bist mir noch was schuldig.“ Mit einer obszönen Geste beulte er mit der Zunge seine Wange aus. „Immerhin hat dich Alain nur meinetwegen entdeckt. Du verstehst?“
Ich riss mich aus seiner Umarmung und stürmte davon. Sein Lachen jagte mich durch das Foyer und verklang erst, als ich die Tür der Herrentoilette hinter mir schloss. Ich stürmte in eine Kabine und setzte mich auf den Toilettensitz.
Ich wusste nicht, wie ich das Leben mit Tom weiter aushalten sollte. Heute hatten seine Anzüglichkeiten und seine direkte Angriffslust eine Stufe erreicht, die ich nicht mehr hinnehmen konnte. Ich musste Christin um Rat fragen. Sie würde wissen, was ich tun konnte. Vielleicht kannte sie irgendwo ein kleines Zimmer, das ich anmieten konnte. Immerhin würde ich bald in Geld schwimmen, behauptete sie jedenfalls. Vielleicht würde sich das feindliche Verhalten Toms geben, sobald ich aus seinem direkten Umfeld verschwand. Vielleicht konnten wir irgendwann sogar einen normalen Umgang miteinander pflegen.
Ja, das musste ich versuchen. Immerhin würde Piero mich zuerst bei ihm suchen. Ich fuhr mir mit den Fingern durch das Haar und presste mir die Handflächen an die Schläfen. Warum musste nur alles so furchtbar kompliziert sein?
Nach einigen Minuten hatte ich mich so weit gesammelt, dass ich die Kabine verlassen konnte. Ich trat an ein Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht.
„Keine gute Idee“, sagte jemand mit serbischem Akzent.
Ich hob den Blick und sah das Spiegelbild der blonden Frau, bei der Christin gesagt hatte, dass sie Andrej heißen würde. Der tiefen Stimme nach zu urteilen, hatte sie sogar recht.
„Warum?“, fragte ich auf Serbisch zurück.
„Deswegen.“ Andrej lächelte und wies auf den Spiegel, dann begann er in seiner Handtasche zu kramen.
Ein Blick auf mein Spiegelbild zeigte mir, dass ich mir die Reste des dunklen Augen-Make-ups im ganzen Gesicht verteilt hatte.
„Auweia“, entfuhr es mir.
„Ja, so was kann ich nicht verantworten.“ Er hielt mir ein Kosmetiktuch entgegen.
„Jetzt kann ich verstehen, warum du Frauenkleider trägst. Praktisch, so eine Handtasche.“
„Ja, nur einer von vielen Vorteilen.“ Andrej begann sich seine Lippen nachzuschminken. „Und, was läuft so zwischen dir und Alain?“
„Was meinst du?“
„Na, mittlerweile hat doch jeder Designer, der was auf sich hält, eine Muse. Karl hat Baptist. Jean Paul hat mich. Vielleicht will Alain es ja auch mal versuchen. Wäre das erste Mal, und würde dich sicher zu etwas ganz Besonderem machen.“
„Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Es lag nicht daran, dass ich sein Serbisch nicht gut genug verstand. Ich verstand den Sinn seiner Worte einfach nicht.
„Nicht? Dann sieh einfach die Zeichen. Sie sind klein, aber wenn du sie erkennst und die Chance ergreifst, hast du es geschafft.“ Er lächelte mir durch den Spiegel zu und strich sich etwas Lippenstift aus dem Mundwinkel.
„Man tut doch so viele Dinge im Leben, oder?“, sagte er rätselhaft. Dann verschloss er seine Handtasche, zog sein hautenges Kleid glatt und wandte sich zur Tür. „War angenehm mal wieder in meiner Muttersprache zu reden. Ich bekomme nicht oft Gelegenheit dazu.“ Er streckte mir seine schlanke Hand entgegen. Als ich sie ergriff, zwinkerte er mir verschwörerisch zu. „Mach das Beste draus.“
Christin hatte die ganze Zeit die Tür der Herrentoilette im Auge behalten.
„Da bist du ja endlich“, empfing sie mich. „Weißt du, wer kurz vorher hier rausgekommen ist?“
„Nein, ist das wichtig?“
„Ach, Nikola. Du könntest neben Frankreichs Präsidenten
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