Erwarte mich in Paris (German Edition)
Zigarette machte eine wischende Bewegung. „Nur leider kann man so etwas mit Geld nicht kaufen. Das wäre zu einfach.“ Er lächelte bitter in sich hinein.
Unbehaglich rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich hatte aufgehört zu essen. Mich beschlich ein ungutes Gefühl. Was bezweckte er mit seiner Rede?
„Und nun bieten Sie mir einen Handel an?“, schlussfolgerte ich.
Falten überzogen seine Stirn. „Wenn du es so nennen willst. Ja! Ich mache dir ein Angebot.“
Er ließ sich Zeit mit dem Weiterreden, trank einen Schluck, drehte die Zigarette, spannte mich auf die Folter.
„Bleib hier“, erläuterte er endlich. „Leiste mir Gesellschaft, begleite mich. Nicht als Angestellter, sondern als Weggefährte. Ich weiß, ich bin verrückt, aber genau das war es immer, was mir Erfolg gebracht hat. Ich gebe dir die Chance, wieder Wurzeln zu schlagen, eine neue Heimat und vor allem dich selbst zu finden. Ich verspreche dir, ich werde dich nicht einengen. Ich will nur deine Loyalität, deine Nähe, …“
„Und Sex!“ Meine größte Befürchtung platzte regelrecht aus mir heraus.
Alain lachte herzlich. Die Asche seiner Zigarette rieselte auf den weichen Teppich. „Glaub mir, das ist etwas, an dem ich wirklich kein Interesse mehr habe. Meine Sexualität spielt sich mittlerweile hier ab.“ Er tippte an seine Stirn. „Ich werde dich damit gewiss nicht belästigen.“
Stumm saß ich da. Meine Gedanken kreisten um seinen Vorschlag, der wirklich unglaublich war.
„Du suchst eine Wohnung.“ Dies war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ich biete dir eine Bleibe. Im Gegenzug leistest du mir Gesellschaft. Du musst mich nicht unterhalten. Nein, bitte auf keinen Fall.“ Er schüttelte den Kopf. „Das wär’ das Letzte, was ich brauche. Anwesenheit ist das richtige Wort für das, was ich mir wünsche. Körperliche Anwesenheit und die Akzeptanz, über all den Dingen, die die Presse berichten wird, erhaben zu sein. Und das wird eine ganze Menge sein. Sie werden sich überschlagen. Alain Serafon hat das erste Mal eine öffentliche Beziehung. Und dann auch noch mit einem vierzig Jahre jüngeren Mann, der aus dem Nichts aufgetaucht ist “, zitierte er einen noch ungeschriebenen Text. „Meine einzige Bedingung ist“, fuhr er fort, „dass du niemanden etwas über deine Vergangenheit erzählst. Sie ist gestorben und begraben. Verstanden?“
„Absolut, es entspricht ja leider der Wahrheit.“ Meine Worte waren klar, dennoch brannten sie mir im Hals, wie scharfer Alkohol.
„Wenn man dich in Interviews etwas fragt, lächelst du freundlich und nennst höchstens deinen Namen. Ansonsten siehst du hübsch aus, das reicht. Ach ja, dein Name …“ Alain fuhr sich durchs graue Haar. „Da sollten wir uns noch etwas überlegen.“
„Was ist an meinem Namen falsch?“
„Dass ihn kein Mensch aussprechen kann. Geschweige denn schreiben“, erwiderte er leicht genervt.
„Aber mein Name ist meine Herkunft und meine Familie.“
„Und was war diese jemals wert?“ Seine Antwort in Verbindung mit einem spöttischen Blick ließ mich verstummen.
„Freie Kost und Logis“, fuhr er fort. „Ich lege ein Konto für dich an, auf das deine Honorare eingehen, wobei ich mir wünsche, dass du ausschließlich für mich oder auf meine Empfehlung hin arbeitest. Kannst du das akzeptieren?“
Er erhob sich und sein Blick veranlasste mich, ebenfalls aufzustehen. „Ich zeige dir jetzt dein Zimmer. Überleg es dir mit dem Hinweis im Hinterkopf, dass ich noch nie jemanden solch ein Angebot gemacht habe. Ich glaube wirklich, ich werde alt und senil.“ Er schüttelte den Kopf. Im letzten Satz schwang Traurigkeit mit, dicht an der Grenze zur Verbitterung.
„Bleib heute Nacht hier und probier dein Zimmer aus. Morgen früh siehst du vielleicht schon klarer und weißt, was du möchtest.“
Alain hatte mich zu einer Tür im ersten Stock geführt. Als er sie öffnete, verschlug es mir die Sprache. Er hatte Zimmer gesagt, jedoch handelte es sich eher um eine Suite. Christins Wohnung schnitt im direkten Vergleich hierzu mehr als dürftig ab.
Ein großes Bett dominierte den Raum. Ihm gegenüber war ein riesiger Flachbildfernseher an der Wand angebracht. Ein Schrank, der eine gesamte Wand einnahm, bot Platz für Unmengen an Kleidung, die ich nicht besaß. Hinter einer bequemen Sitzgruppe sah man, durch eine offen stehende Tür, in ein mit schwarzem Granit ausgelegtes Bad.
Weitere Kostenlose Bücher