Erwarte mich in Paris (German Edition)
klassische Musik.“
„Ja, stimmt, diese voluminösen Orchesterwerke und die hohen Stimmen. Sie schallen stundenlang durchs Haus. Sogar vier Uhr in der Früh.“
„Genau.“ Sie machte eine ausladende Geste auf die Grabstätte hinter sich. „Hier wurde einer der bekanntesten Komponisten des Belcanto begraben.“
„Danke, Frau Lehrerin“, antwortete ich. „Ich habe zwar nie eine Schule besucht, bin Ihnen für Ihre Ausführungen jedoch sehr verbunden.“
„Vergiss es!“ Christins Gesicht verschloss sich in Sekundenschnelle. Es zeichnete sich ein Ausdruck tiefster Enttäuschung darauf ab. „Ich dachte nur, du überraschst Alain im November mit einem kleinen Rundgang, um mit ihm gemeinsam den Todestag von Rossini zu begehen. Das hätte ihn beeindruckt. Aber so lange hältst du eh nicht bei ihm aus.“
„Du willst wetten?“ Ich zwinkerte ihr zu und kniff sie leicht in die Taille. „Du wirst verlieren. Ich bin eine Menge gewöhnt …“
„Hör auf, du Banause“, kicherte sie und wich meiner Hand mit einer flinken Bewegung aus. Ihr Zorn verflog genau so schnell, wie er gekommen war.
„Traust du dich nicht zu wetten?“, stichelte ich. „Hast du Angst zu verlieren?“
„Es würde mich ja freuen, wenn ihr ein angenehmes Zusammenleben schaffen würdet. Aber so wie ich Alain kenne … Also gut, ich wette um …“ Sie überlegte kurz. Dann lächelte sie verträumt. „Um eine Massage, die du mir gibst, wenn du verlierst. Eine Ganzkörpermassage“, platzte sie heraus. „Mit Öl und allem Drum und Dran.“
„Okay“, ich grinste. „Du wünschst dir also körperliche Zuneigung.“
Sie schlug mir mit der flachen Hand auf den Oberarm. „Du bist unmöglich.“
„Bin ich das wirklich?“ Ich sah ihr in die Augen, doch sie schaute gleich wieder weg. Scheinbar hatte sie ihre Verliebtheit noch immer nicht überwunden. Ob ich ihr das austreiben konnte? Das würde es ihr auf jeden Fall leichter machen.
Christin lehnte an der Mauer von Rossinis Grab. „Und wenn du die Wette gewinnst …“
„Führst du mich durch den Louvre. Einen ganzen Tag erwarte ich von dir unterhaltsame und charmante Wissensvermittlung, mit Witz und Anekdoten. Ich möchte mich nicht langweilen, aber trotzdem etwas lerne. Alles für das Projekt: Nikolas Kultivierung. Das ist doch sicher in deinem Sinn.“
„Das würdest du dir wünschen?“ Christin lächelte glücklich.
„Na klar. Du sagst doch selbst, dass ich so etwas für ein Leben in Alains Dunstkreis brauche. Also, warum nutzt du die Chance nicht und machst gleich weiter? Ich bin ganz Ohr.“
Christin schob die Unterlippe vor.
„Nicht schmollen. Zivilisiere und kultiviere lieber deinen unwissenden Freund. Du läufst sonst Gefahr, auf seine Ebene gezogen zu werden.“
Ich fasste sie um die Taille und wirbelte sie einmal um mich herum. Sie schrie erschrocken auf.
„Siehst du, es steckt schon an. Christin, auf einem Friedhof schreit man nicht so rum“, rügte ich sie.
„Verarsch mich nicht, Nikola. Der Louvre? Du sagst das doch nur, damit sich meine Laune hebt.“
„Klar, deine Laune und meine Allgemeinbildung. Soll ich etwa auf die Knie fallen?“ Augenblicklich tat ich genau das. „Bitte Christin, hilf mir“, bettelte ich mit aneinander gelegten Händen. „Ohne dich bin ich verloren und sterbe als Unwissender.“
Einige Spaziergänger sahen zu uns herüber.
„Hör schon auf.“ Christin zog mich auf die Beine. „Ich zeig dir noch ein paar Sachen, die interessant sind und die man nicht auslassen darf.“
„Wunderbar! Und ich spiele den aufmerksamen Zuhörer. Versprochen.“
Skeptisch sah sie mich an. Dann lächelte sie und führte mich weiter, die gepflasterte Allee entlang, auf eine Treppe zu. Wir liefen, auf verschlungenen Pfaden, an unzähligen Grabstätten vorbei. Sie erzählte mir, dass dieser Friedhof eine Besonderheit sei, weil so viele berühmte Menschen hier begraben waren. Dann zeigte sie mir ein unscheinbares, mit provisorischen Gittern geschütztes Grab, um das eine kleine Menschentraube stand.
Christin blieb stehen. „Come on, Baby, light my fire“, begann sie zu singen.
„Ich dachte, das hätten wir schon geklärt, Christin“, sagte ich, ohne die Miene zu verziehen.
Verdutzt schaute sie mich an. „Ich mein nicht dich! The Doors? Jim Morrison? Sagt dir das nichts? Okay, ich merk schon … Also: Morrison ist ein bekannter Rockstar aus den USA gewesen.
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