Erwarte mich in Paris (German Edition)
Unsicher leckte ich mir über die trockenen Lippen. Es war mir einerseits unangenehm, wie Alain mit mir sprach, andererseits hatte ich die ganze Zeit, in der wir mittlerweile zusammen wohnten, auf solch einen Moment gewartet. Nur eben nicht in so einer öffentlichen Situation. Ich dachte, er würde mir etwas in dieser Art sagen, wenn wir zusammen vor dem Kamin saßen oder, wenn er mit mir eine Spritztour in seinem schwarzen XJ220 durch Paris machte. Doch er suchte sich einen Zeitpunkt dafür aus, in dem ich nicht die Wahl hatte, mich zu weigern oder anderweitig zu entziehen. Wobei ich mir mittlerweile gar nicht mehr so sicher war, ob ich seinen Avancen wirklich ablehnend gegenüberstehen würde. Er war auf eine leicht arrogante Art charmant. Auch er sah, genau wie Christin, über meine gesellschaftlichen Defizite hinweg. Dafür war ich ihm dankbar. Aber er redete sowieso nicht viel mit mir. Meistens arbeitete er oder wir saßen stumm beieinander.
Aber gerade heute, wo ich ein Mädchen im Arm hielt und eine handvoll Menschen um uns herum standen, gingen seine Worte in die Richtung, die ich fast herbeigesehnt hatte.
Ich räusperte mich. Sein Gesicht erschien seitlich neben der Kamera. Er lächelte nicht. Er sah mich nur an, mit einem Blick aus seinen hellen Augen, der mich magisch bannte.
„Mach mich an“, formte er mit seinem Mund und forderte mich heraus, dann verschwand er wieder hinter der Kamera.
Zehn Minuten später waren wir fertig. Ich hatte keine Ahnung, was der Grund für seine Zufriedenheit war. Ohne mir dessen bewusst zu sein, musste ich alles richtig gemacht haben.
„Zieh dich an, Nikola. Wir gehen aus.“
„Uh, das wird eine heiße Nacht“, sagte Etienne, als Alain außer Hörweite war.
„Mal sehen“, antwortete ich doppeldeutig. Mittlerweile verhielt ich mich allen Menschen gegenüber vorsichtig. Ich redete, außer mit Christin, mit niemand über Alain und meine Beziehung zu ihm. Beziehung – ich war mir nicht mal sicher, ob man unser Zusammenleben wirklich so nennen konnte.
Die Presse jedenfalls tat es. Ich wurde als der neue Unbekannte an Alains Seite bezeichnet. Christin hatte alle Artikel für mich ausgeschnitten und sie mir später vorgelesen. Es wurde viel über mein Auftauchen spekuliert. Bisher hatte man, außer von der Modenschau, kein weiteres Foto, auf dem ich mit Alain gemeinsam zu sehen war. Nachdem ich aber eines Morgens ans Fenster meines Zimmers getreten war, um einen Blick auf die Seine zu werfen, hatte mich ein Fotograf erwischt. Er musste ewig mit seinem Makro-Objektiv auf diese Gelegenheit gewartet haben. Auf jeden Fall zierte einen Tag später mein Foto die Boulevardblätter, wie ich mit nacktem Oberkörper, an einem der Fenster von Alains Wohnhaus stand und mit einem verträumten Blick auf das dahin fließende, trübe Wasser sah. So jedenfalls untertitelten die Journalisten das Foto.
Nun wurden auch wieder alle Fotos von der Show hervorgeholt. Zum Beispiel das, welches mich im mandarinfarbenen Anzug, frech grinsend, auf dem Laufsteg zeigte. Auch Alains Parfümwerbung ging gerade los. Meine spiegelbildlichen Engelsfotos, vor dem weißen und dem schwarzen Hintergrund, waren in jeder Zeitung zu finden. Ebenso wie die Serie mit dem Mädchen zusammen. Mit leidenschaftlichem Blick sah ich in die Kamera, während mich das Mädchen, von mir unbeachtet, anschmachtete. So jedenfalls beschrieb Christin dieses Bild. Die Krönung jedoch hatte sich Alain bei dem Namen des Parfüms einfallen lassen: passion cachée – verborgene Leidenschaft. So als würde er auf seine geheimen Vorlieben anspielen.
„Und? Hast du seine tief verborgenen Leidenschaften schon geweckt?“, hatte mich Christin gefragt und spielerisch an meinen schwarzen Locken gezogen.
„Da ist nichts, Christin.“ Ihre Andeutung machte mich verlegen. „Wir leben in einer rein platonischen Gemeinschaft.“
„Zölibate Brüder im Geiste, he? Da brauch ich ja nicht eifersüchtig sein.“
Trotzdem hatte ich den Eindruck, als würde mir Christin nicht glauben.
Alains Bemerkung, dass wir heute ausgehen würden, war zwar ungewöhnlich, trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass er etwas Besonderes vorhatte. Ich zog mir die Kleidung über, die Alain mir besorgt hatte, eine enge schwarze Lederhose und ein weißes Hemd. Irgendwie trug ich in letzter Zeit nur noch Kleidung, die mir andere Menschen schenkten, aber ich kam damit zurecht.
„Mon Dieu, der
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