Erwarte mich in Paris (German Edition)
passieren? Ich habe Wochen bei Tom gewohnt und es überlebt. Du machst dir wirklich zu viele Sorgen.“
Christin zuckte mit der Schulter. „Wie du meinst. Du bist erwachsen und hast noch andere Menschen um dich herum, welche dir einen Rat geben können.“
„Christin, bist du etwa sauer auf mich? Hab ich dir irgendetwas getan?“
„Nein, Nikola. Du hast mir nichts getan, du hast ja kaum noch Zeit. Aber ich beobachte dich und mache mir Gedanken.“
Sie bückte sich und hob die Flasche hoch, die neben meinem Stuhl stand. „Ich habe das Gefühl, Alain tut dir nicht mehr gut. Während er aufblüht und strahlt, pusht du dich mit so was, um zu tun und zu sein, was er will.“ Sie stellte die Flasche hart vor mir auf dem Tisch ab.
„Christin, das ist Wasser.“
„Vielleicht glaubt dir Alain, aber bei mir kannst du dir diese Ausflüchte sparen, Nikola. Erinnere dich, wer du wirklich bist, bevor es zu spät ist.“
Sie drehte den Verschluss der Wasserflasche auf und hielt ihre Nase darüber.
„Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte ich lahm und widerstand gerade noch dem Impuls aufzuspringen, als sie zum Waschbecken ging, um den Wodka wegzukippen.
Alltagsroutine
Die Show zog sich unendlich hin. Erst mussten wir warten, bis ein paar geladene Gäste endlich eintrafen, dann gab es ein kleines Malheur, weil irgendjemand die Sonnenbrillen nicht fand, die wir alle tragen sollten. Gegen Mitternacht kam ich ausgepowert und gleichzeitig aufgepeitscht nach Hause. Ich würde so bald nicht schlafen können, da war ich mir sicher. Der Gedanke, dass ich Piero schon bald wiedersehen würde, kreiste in meinem Kopf und blockierte fast mein ganzes Denken.
Ob er unser Treffen genauso herbeisehnte wie ich? Hier nagte ein gewisser Zweifel in mir, den ich nicht einfach so wegwischen konnte. Warum nur hatte er mich so lange warten lassen?
Ich trat zu dem kleinen Kühlschrank, der sich in meinem Zimmer befand und holte eine neue Flasche Wodka heraus. Ohne mir dessen bewusst zu sein, drehte ich den Verschluss auf und setzte sie an, ohne mir die Mühe zu machen, nach einem Glas zu greifen.
Du bist ein Idiot, schimpfte ich. Ich durfte nicht so egoistisch sein! Hatte ich mein früheres Leben denn ganz vergessen? Piero konnte nicht frei über seine Zeit oder das Ziel entscheiden, wohin er fuhr. Er war noch immer Mitglied des Clans, anders als ich. Er musste tun, was Paco wollte und was im Sinne der Familie war. Und er musste ziehen, wohin auch immer es die Sippe verschlug.
Ich drehte die Flasche in meinen Händen. Ich sollte Alain erzählen, dass Piero kam. Vielleicht hatte er eine Lösung. Er hatte mich damals, ohne einen Funken Eifersucht, mit diesem Gaspard zusammengebracht. Vielleicht dachte er genauso über Piero. Vielleicht konnten wie alle Drei hier gemeinsam …
Ich zuckte zusammen, als Musik erklang und die Räume des Hauses durchflutete. Es waren die Klänge des Opernduettes, das mittlerweile so eine Art Geheimzeichen zwischen Alain und mir war.
Ich ging ins Bad und zog die Packung Tabletten aus dem Schränkchen über dem Waschbecken. Mit einem großen Schluck Wodka spülte ich eine davon hinunter.
Ich nahm die Tabletten nur, um auf Nummer sicher zu gehen, redete ich mir jedes Mal ein. Ich wollte Alain nicht verletzen, falls meine Abwehrreaktionen noch immer aktiv waren. Aber das waren sie natürlich eindeutig nicht mehr. Ich lächelte meinem müden Spiegelbild zu. Ich hatte mich wieder im Griff. Alles war gut.
Und der Alkohol? Er machte mich nur wach. Egal, was Christin dachte. Ich wusste, was ich tat und ich wusste noch immer, wer ich war.
Ich streifte meine Schuhe ab und stieß sie im Gehen von den Füßen. Ich würde nicht duschen. Alain liebte den Geruch meines Körpers. Das hatte er mir schon einige Male zu verstehen gegeben, genauso wie er einige andere Dinge liebte, die ich mir für ihn angewöhnt hatte.
Als ich sein Schlafzimmer betrat, stellte er die Musik augenblicklich leiser. Ansonsten blieb er in seinem Sessel sitzen, den Blick auf mich gerichtet, eine Hand auf dem Knauf seines Spazierstockes, wartend.
Doch ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich blieb vor ihm stehen, öffnete langsam mein Hemd, Knopf für Knopf, fast genüsslich, und ließ es zu Boden fallen. Dann entledigte ich mich genauso langsam meiner Hose. Ich hatte eine Möglichkeit entwickelt, dies äußerst elegant zu machen, ohne Bücken oder Rumgehampel auf einem Bein. Alain
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