Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
zuschlagen. Die Polizei war bei ihnen in Kregme gewesen, und das hatten sie Marco zu verdanken. Nichts war mehr sicher, solange dieser Junge frei herumlief. Wie sollte er da warten!
Chris hob eine Hand, aber Zola hatte den Klingelton auch gehört und verlangte mit einem Fingerschnipsen nach dem Handy.
»Pico hier. Hector steht neben mir.«
»Wo seid ihr, wieso konnte ich euch nicht erreichen? Von wo aus rufst du an?«
»Ich stehe in der Larslejestræde. Hector kam gerade und hat mir erzählt, dass Romeo und Samuel weg sind. Wir haben sie auch in Nyhavn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Erst kam Samuel nicht zurück, dann Romeo. Sieht nicht gut aus, Zola.«
»Was soll das heißen? Na los, sag schon!«
»Die Bullen waren im ›Schwarzen Diamanten‹. Sie haben sie bei den Schließfächern geschnappt.«
Zola starrte zur Decke. Fuck, so weit war es also schon gekommen.
»Wie?«
»Die waren einfach da. Haben sie abgefangen.«
Zola nickte. Seine eine Gesichtshälfte war plötzlich ganz kalt.
»Okay. Bleibt vom Hafen weg! Und Pico, trefft euch, bevor ihr abgeholt werdet, damit wir wissen, wo sich alle aufhalten und was los ist. Wenn einer von euch weiß, wo die Afrikaner sind, dann richtet denen aus, Marco sei Richtung Norden gefahren. Und gebt ihnen die Adresse von Starks Haus.«
»Warum? Er kann doch überall und nirgends hingefahren sein.«
»Tu’s einfach. Haben wir vielleicht eine bessere Option?«
Zola unterbrach die Verbindung, atmete mehrmals tief durch und gab die Nummer von Kregme ein. Immer donnerstags bereitete sich Lajla darauf vor, ihn zu empfangen. Das Haus würdebald verlockend nach Honig duften, nach frisch gebackenen süßen Brötchen und nach Willigkeit. Aber jetzt hatte er eine andere Aufgabe für sie. Sie sollte alles zusammensammeln, was von Wert war, alles an Edelmetall und natürlich den Schmuck. Sicherheitshalber.
»Ich wollte dich gerade anrufen, Zola«, kam sie ihm zuvor. »Am Ende der Straße steht ein Auto, und zwar schon ziemlich lange. Also hab ich den Hund genommen und bin daran vorbeispaziert. Ich wollte schauen, wer drin sitzt, und ob noch andere Autos grundlos in der Gegend rumstehen. Als ich zur Landstraße kam, habe ich oben auf dem Hügel mehrere große Wagen gesehen. Und jede Menge Leute in weißen Overalls. Sieht mir sehr nach Polizei aus.«
»Welcher Hügel?«
»Na, du weißt schon. Der Hügel, wo Marco verschwunden ist. Wonach suchen die, was meinst du?«
»Keine Ahnung. Und das Auto am Ende der Straße?«
»Steht immer noch da. Die sitzen da einfach drin.«
Zola stützte sich schwer auf die Armlehne. Die Polizei hielt zwei seiner Leute in Gewahrsam, die Polizei überwachte sein Haus, die Polizei schnüffelte in dem Wäldchen herum, wo sie die Leiche vergraben hatten. Was für eine verdammte Scheiße!
»Entspann dich, Lajla, mit uns hat das nichts zu tun. Aber sammle trotzdem lieber mal unsere Wertgegenstände zusammen und pack sie gut weg. Nur falls jemand kommt und das Haus durchsucht.«
Sie zögerte, wirkte aber doch einigermaßen gefasst. Das würde sich wohl ändern, wenn sie erführe, dass sich der Clan in Auflösung befand und dass Zola seinen Bruder, ihren Alltagsgeliebten, in den Tod gestoßen hatte.
Nachdem er Chris das Handy zurückgegeben hatte, öffnete Zola das Seitenfenster, in der Hoffnung, die warme Luft von draußen würde die Kälte vertreiben, die plötzlich von seinem Inneren Besitz ergriffen hatte.
Seit mehr als zwanzig Jahren war er mit dieser Gruppe von Menschen zusammen, die er seinen Clan nannte. Sie hatten sich vor ihm in den Staub gekniet, sie hatten eine endlose Reihe großartiger Coups gelandet, und sie hatten ihn reich gemacht. Sie waren eine treue Schar gewesen. Trotzdem stellte sich ihm nun die Frage, ob ihre Zeit nicht abgelaufen war.
Er sah zu Chris hinüber, seiner rechten Hand, seiner bedingungslosen Stütze bei allem, was auch geschah. Ihn würde er am meisten vermissen.
»Gib mir einen Zigarillo«, sagte er. Chris reichte ihm gleich ein Feuerzeug mit.
Zola genoss den Tabakgeruch, den Duft tropischer Gefilde, und entschied genau in diesem Moment, dass es Zeit war aufzubrechen. Südamerika. Dass Samuel, dieses Weichei, die Klappe halten würde, darauf konnte er sich nicht verlassen. Und wenn Lajla erst einmal herausgefunden hatte, dass er ihren Liebsten geopfert hatte, konnte er nicht mal mehr sicher sein, nicht im Schlaf erstochen zu werden.
Wenn er die Situation nüchtern betrachtete, war alles ganz einfach. Haus
Weitere Kostenlose Bücher