Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
und Hof in Kregme würde er zwar aufgeben müssen, aber dann hatten die Bullen immerhin etwas in der Hand, woran sie sich abarbeiten und das sie in Kronen und Öre beziffern konnten. Vielleicht war das gar nicht so schlecht.
Alles Weitere wartete in Zürich auf ihn. Ein fettes Konto, auf das jahrelang die Gewinne seiner Geschäfte geflossen waren. Wenn er dieses Konto erst mal geräumt hatte, gab es zwei Wege, und noch hatte er sich nicht für einen der beiden entschieden: Entweder nahm er das Geld und lebte für den Rest seines Lebens friedlich irgendwo in Venezuela oder Paraguay mit vielen Frauen, oder er stellte sich einen neuen Clan zusammen. Lohnenswerte Märkte gab es genügend. Nur eines stand fest: Kalte, dunkle Wintermonate wie die in Dänemark waren künftig keine Option mehr. Nun ja, er hatte ja noch etwas Zeit für seine Entscheidung, und die Welt war groß.
So betrachtet, hatte die derzeitige Scheißsituation auch ihr Gutes. Hauptsache, Marco bekam, was er verdiente.
Zola sah auf die Uhr.
Noch eine halbe Stunde, dann war es Zeit, zum Rathausplatz zu fahren und die Tageseinnahmen einzusammeln. Für die Reise würde er ein bisschen Bargeld brauchen, denn Kreditkarten hinterließen die gleichen hässlichen Spuren wie Handys.
Chris blickte gerade aus dem Fenster, als Zola das Handschuhfach öffnete, aus dem Schlitz im Stoff vorsichtig den falschen Pass und die dreitausend Kronen zog, die dort immer bereitlagen, und sich beides in die Tasche steckte. Es gab keinen Grund, Chris zu beunruhigen. Wer konnte vorhersagen, wie sein treuester Helfer reagieren mochte, wenn ihm dämmerte, was gerade passierte?
»Ich würde jetzt gern selbst fahren, Chris«, sagte er und machte Anstalten auszusteigen und den Platz zu tauschen.
Sein Lakai sah ihn erstaunt an. Doch er hatte gelernt, die Anweisungen seines Herrn niemals in Frage zu stellen.
Zola klopfte ihm kumpelhaft auf den Rücken.
»Hör mal, Chris, kleine Planänderung.«
Chris sollte den am Rathausplatz Wartenden erzählen, sie müssten heute mit der S-Bahn nach Hause fahren, weil Chris und er Romeo und Samuel aus dem Polizeigewahrsam holen müssten. Dafür würden sie den besten Anwalt des Königreichs engagieren, Zola kannte ihn gut. Nichts treffe Zola unvorbereitet. Auch nicht eine so missliche Situation wie diese, sollte Chris ihnen sagen. Und dass sie aus Sicherheitsgründen und für den Fall, dass die Polizei bei ihnen zu Hause aufkreuzte, die Tageseinnahmen schon gleich an Ort und Stelle in Chris’ schwarze Tasche abliefern sollten.
Ganz offensichtlich war Chris bei Zolas Darlegung des Plans tief berührt von dessen Fürsorge. Hätte nicht die schwarze Tasche zwischen ihnen gestanden, er hätte wahrscheinlich Zolas Hand ergriffen und sie geküsst.
Zwei Minuten vor fünf trafen sie am üblichen Treffpunkt vor dem H.-C.-Andersen-Schloss ein. Aber dort lief alles anders, als Zola es sich vorgestellt hatte.
Während Chris die Einnahmen einkassierte und den Clanmitgliedern erzählte, was sich im Laufe des Tages ereignet hatte, hörte man in der Nähe plötzlich lautes Rufen. Blitzschnell war der ganze Trupp in alle Winde verstreut. Nur Miryam und ein anderes Mädchen blieben vor Schreck einfach stehen, als von mehreren Seiten Polizisten auf sie zuliefen.
Zola trat instinktiv das Gaspedal durch. Das Quietschen der durchdrehenden Reifen hallte über den Platz. Ihm schoss durch den Kopf, dass er das Flugticket ja von dem Geld aus dem Handschuhfach bezahlen konnte, während er sich gleichzeitig wunderte, dass die Polizei seiner Flucht nicht mit einem Streifenwagen ein Ende bereitete.
Über so viel glückliche Fügung musste er laut lachen. Bis plötzlich die Windschutzscheibe zerbarst und etwas Schweres mit voller Wucht sein Knie traf.
Den Tieflader mit den Betonstahlmatten, der ihm auf der entgegengesetzten Fahrbahn entgegenkam, sah er schon nicht mehr.
***
Marcos Taxifahrer war seine zweihundert Kronen mehr als wert, spätestens als er blitzschnell auf den Radweg fuhr und Marco unmittelbar vor dem Hereford Beefstouw absetzte. So konnte Marco schon Sekunden später über den Bauzaun klettern und ungesehen auf den Hinterhof des Gebäudekomplexes gelangen, während die Arbeiter die Baustelle vorne durch die Hauptzufahrt verließen.
Marco war klar, dass er sich jetzt noch mehr in Acht nehmen musste und auf keinen Fall mehr unbewaffnet herumlaufen durfte.
Den Latthammer fand er im ersten Stock. Auf der einen Seite war er stumpf und schwer und auf der
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