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Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Titel: Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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sie dir die Haare geschnitten, Hardy?« Dumme Frage, aber er konnte einfach nichts Ungewöhnliches entdecken.
    Aus der Küche dröhnte lautes Lachen. Morten hatte schon immer gute Ohren gehabt.
    »Mika!«, rief er jetzt. »Komm doch mal rauf und hilf dem Herrn Kommissar auf die Spur!«
    Wenige Sekunden später polterte es auf der Kellertreppe.
    Mika war an diesem Abend sehr anständig angezogen. Normalerweise – und selbst an frostigen Tagen – spazierte dieses Muskelpaket von einem Physiotherapeuten nämlich mit Vorliebe in Klamotten herum, die man eher an einem Schwulenstrand erwarten würde. Aber anders als Morten konnte Mika knallenge Hosen und T-Shirts wenigstens tragen. Trotzdem,eins stand fest: Wenn Carls Kollegen oder sein zukünftiger Chef Lars Bjørn mal unangemeldet zu Besuch kämen, würde es ihnen später schwerfallen, Carl in die Augen zu sehen.
    Mika nickte Carl kurz zu. »Okay, Hardy. Dann wollen wir Carl mal zeigen, wo wir jetzt sind.«
    Er schob Carl etwas zur Seite und presste dann zwei Finger in Hardys Schultermuskel. »Und jetzt konzentrierst du dich, Hardy. Konzentrier dich auf den Druck und bleib dabei. Los!«
    Carl sah, wie sich die Kräuselung von Hardys Lippen ein wenig vertiefte und sein Blick sich plötzlich nach innen richtete. Hardys Nasenflügel vibrierten. So lag er minutenlang da, und auf einmal begann er zu lächeln.
    »Ja, da ist es«, flüsterte er, als könne er es nicht fassen.
    Carls Augen schweiften über das Bett. Verdammt, was sollte er sehen?
    »Du bist ja blind auf beiden Augen«, kommentierte Morten, der sich dazugestellt hatte.
    »Bin ich das?«
    Und dann sah er es.
    Etwa auf Höhe der Hände bewegte sich die Bettdecke ganz leicht. Carl sah sich um, aber weder die Terrassentür noch das Küchenfenster standen offen. Also keine Zugluft.
    Er streckte die Hand nach der Decke aus, hob sie an und begriff.
    Blitzartig flogen seine Gedanken zurück zu dem Moment, als sein Kollege Anker, der dritte im Bunde, von einem Schuss tödlich getroffen wurde, bevor es Hardy erwischte. Zurück zu dem Moment, als dieser lange Kerl in sich zusammensank und Carl spürte, wie er unter ihm begraben wurde. Er dachte zurück an die Zeit, als Hardy darum gebettelt hatte, er möge ihn von der Hölle erlösen, zu der das Leben für ihn geworden war. Und jetzt das! Hardys linker Daumen bewegte sich! Wenige Millimeter nur, aber er bewegte sich. Vier Jahre Verzweiflung und Scham – und jetzt das!
    Wäre dieser Tag für Carl nicht bislang ein absoluter Scheißtag gewesen, hätte er vor Freude vermutlich geheult. So aber saß er nur wie paralysiert da und versuchte, das Ausmaß dessen zu erfassen, das sich in dieser fast mikroskopischen Bewegung ausdrückte. Er musste an das Piepen eines Herzschlagmonitors denken – ein Geräusch, das für den Unterschied zwischen Leben und Tod stand. So wie diese kleine Bewegung in Hardys Daumen.
    »Sieh mal, Carl«, sagte Hardy leise und begleitete jedes Zittern des Fingerglieds mit einem Laut.
    »Dut, dut, dut, duuuut, duuuut, dut, dut, dut.«
    Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Carl presste die Lippen zusammen. Wenn er nicht dagegenhielt, würden die Tränen doch noch völlig unkontrolliert fließen, und das könnte er heute nicht mehr ertragen. Er schluckte ein paarmal, bis der Kloß in seinem Hals wieder verschwunden war.
    Hardy und er sahen sich lange an. Dass sie diesen Augenblick erleben würden, hatte keiner von ihnen geglaubt.
    »Hardy, Mensch, Hardy. Du hast mit deinem Finger SOS gemorst. Du hast gemorst. SOS. Menschenskind, Hardy.«
    Hardy nickte heftig, fast wie ein kleiner Junge, der sich gerade selbst den ersten Milchzahn gezogen hatte.
    »Das ist der einzige Morsecode, den ich kann, Carl. Wenn ich gekonnt hätte …« Er presste die Lippen zusammen und sah zur Decke. Das war ein großer Augenblick. »… dann hätte ich stattdessen ein großes … JAAAAAAAAAAA! gemorst.«
    Carl strich seinem Freund leicht über die Stirn. »Das war die beste Nachricht des Tages. Oder nein: des Jahres«, sagte er. »Du hast deinen Daumen wieder, Hardy.«
    Von Mika kam ein zufriedenes Grunzen. »Da kommen noch ein paar mehr Finger dazu, Carl. Wart’s nur ab. Hardy ist ein prima Partner, er arbeitet wunderbar mit. Ich kenne keinen besseren.«
    Dann stand er auf, gab Morten einen Kuss auf den Mund und verschwand aufs Klo.
    »Was ist da eigentlich passiert?«, fragte Carl.
    »Wenn ich mich anstrenge, kann ich Dinge spüren.« Hardy schloss die Augen. »Mika hat mir

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