Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
Platz in seinen Gedanken ein. »Aber dann überbringst du ihr die Neuigkeit, abgemacht?« Rose reagierte auf solche Gesten manchmal ein bisschen überschwänglich – auch das würde momentanseine Kräfte übersteigen. Und Nahkontakt brauchte er nun gerade wirklich nicht.
Carl ließ sich in den Bürostuhl sinken und versuchte, sich zusammenzureißen. Er zündete sich die erste Zigarette des Tages an, nahm ein paar tiefe Züge, und während seine Gedanken um Mona kreisten, verwandelte sich die Zigarette in null Komma nichts in Asche.
Etliche Zigarettenlängen später – Carl hatte das Gefühl für die Zeit völlig verloren – stand Rose plötzlich vor ihm, hustete ein paarmal theatralisch und wedelte den Rauch mit dem Vermisstenplakat weg.
»Danke, Carl«, sagte sie nur und deutete auf die Suchmeldung. Kein YES!, keine Woge der Begeisterung, nur ein schlichtes Danke – was aus Roses Mund allerdings schon eine große Sache war.
Sie ignorierte seine gequälte Miene und nahm auf einem der beiden Stahlrohrungetüme Platz, die sie seinerzeit höchstpersönlich als Bürostühle für Carl angeschafft hatte.
»Ich habe in dem Fall des Verschwundenen hier«, sie tippte auf das Foto des rothaarigen William Stark, »ein paar Nachforschungen angestellt, aber das hast du dir sicher schon gedacht. Die Telefonnummer ist natürlich nicht mehr aktuell, aber ich habe eine neue gefunden. Wir können das Mädchen kontaktieren, das dieses Plakat fabriziert hat.«
»Okay. Was an diesem Fall hat dich eigentlich so angefixt?«
»Assad, sei doch so gut und komm mal her«, rief sie.
Man hörte schleppende Schritte auf dem Gang, und dann stand er da, kampfbereit mit ziseliertem Metalltablett. »Wie wäre es mit etwas Turkish Delight?« Er nickte in Richtung einiger bunter Zuckerkleckse auf dem Tablett, als handele es sich um nichts weniger als den Heiligen Gral.
»Assad hat den Hintergrund von diesem Stark gecheckt und ich die aktuelle Situation«, erklärte Rose mit größter Selbstverständlichkeit.
Carl schüttelte den Kopf. Die zwei auf einem Haufen, so musste es sein, wenn man in der Savanne auf eine Gruppe galoppierender Gnus stieß. Immer geradezu und voraus, und wenn man nicht mitrannte, blieb einem nur der Sprung zur Seite.
Assad stellte den Zuckerkram auf den Tisch und setzte sich neben Rose, das Notizheft aufgeschlagen.
»Er war ein kluger Kopf, dieser William Stark. Hat das Jurastudium als Jahrgangsbester abgeschlossen. Tatsächlich sonderbar, dass er zum Zeitpunkt seines Verschwindens nicht weiter oben in der Hierarchie stand.« Assad legte Carl ein paar Papiere vor. »Zweiundvierzig Jahre alt, fünfzehn Jahre als Ministerialbeamter. Vorher Prokurist und juristischer Berater für verschiedene Interessenverbände. Unverheiratet, lebte aber im sechsten Jahr zusammen mit Malene Kristoffersen und deren Tochter Tilde. Heute ist Malene siebenundvierzig und Tilde sechzehn. Sie wohnen in Valby.«
»Und Starks finanzielle Situation, war die in Ordnung?«
Assad nickte. »Zwanzig Jahre vorsichtiges Sparen. Haus abbezahlt und Wertpapiere von mehr als acht Millionen Kronen. Das meiste davon hatte er von seiner Mutter geerbt, die kurz vor seinem Verschwinden verstorben war. Er war Einzelkind, andere nahe Verwandte gab es nicht.«
»Acht Millionen, Donnerwetter!« Carl pfiff durch die Zähne. Wenn er die hätte, würde er zwei Tickets nach Kuba kaufen und Mona zwingen mitzukommen. Ein Monat unter Palmen, reichlich Rumba in den Hüften – und unter der Bettdecke: Das würde sie schon umstimmen.
Widerstrebend schüttelte er den Gedanken ab. »Okay. Haben wir Aussagen aus Starks Umgebung, die uns einen Hinweis auf den Grund seines Verschwindens geben können?«
Nun übernahm Rose. »Keine. Seine Arbeitskollegen bezeichneten ihn als ruhigen, auf Harmonie bedachten Menschen. Im Bericht steht, es habe weder auf der Arbeit noch im PrivatenAnlass zum Verdacht auf Depressionen oder Ähnliches gegeben.«
Der Glückspilz.
»Dann frage ich dich noch einmal, Rose: Warum interessiert dich der Fall so sehr? Außer, weil du das junge Mädchen sympathisch findest, wenn ich das richtig sehe. Aber wieso sonst noch?«
»Die Umstände, Carl. Weißt du, ich kann mir ja durchaus vorstellen, dass man nach Afrika fährt und unfreiwillig verschwindet. Das kommt alles in allem bestimmt gar nicht so selten vor – bei den Gefahren, die dort überall lauern. Auch dass man auf dem Kontinent freiwillig abtaucht, scheint mir plausibel, es ist dort
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