Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)
meine großen Probleme hatte.« Hat dieses Zerwürfnis seinen Blick auf Erwin Strittmatter mit ironischer Distanz gefärbt, oder ist es einfach nur Hermann Kants Eigenart, die Geschehnisse in Sätze mit feinen Widerhäkchen zu verpacken? »Die Freundschaft mit Erwin Strittmatter war für mich eine große Bereicherung«, sagt er und setzt hinzu: »eine, die ich nie ohne Anstrengung getragen habe..
Das Wort »Eifersucht« dürfe ich in dem Zusammenhang nicht verwenden, meint er, aber Misstrauen habe in Strittmatters Verhalten – nicht nur ihm gegenüber – durchaus eine Rolle gespielt. So habe er Kants herzliche Beziehung zu seiner Frau Eva bisweilen beargwöhnt. Das sei jedoch, so betont mein Gesprächspartner, »immer nur eine richtig gute Freundschaft« gewesen. »Unter Verdacht«, so nennt Hermann Kant es, habe auch seine Freundschaft zu Stephan Hermlin gestanden, der für ihn bei seiner Aufnahme in den Schriftstellerverband gebürgt und überhaupt in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt habe. »Den konnte der gute Erwin nicht leiden. Wie so viele. Das war für ihn eine Figur aus einer anderen literarischen und auch gesellschaftlichen Welt.« Mit diesen beiden Antipoden gleichzeitig befreundet zu sein muss für Kant nicht einfach gewesen sein. »Später gab es nicht nureinmal die Gelegenheit, wo er [Strittmatter, A. L.] dann sagte: Ja, dein Hermlin!« Und auch Hermlin, der, meint Kant, eigentlich der Tolerantere von beiden gewesen sei, habe manchmal sein Unverständnis über ihre Beziehung zum Ausdruck gebracht.
Hermann Kant erinnert sich an Erwin Strittmatter als einen schwierigen, verschlossenen Menschen, dessen Verhalten er bisweilen nicht verstand. Um das zu veranschaulichen, erzählt er mir die Geschichte, wie er und seine damalige Frau Vera 1975 zur großen Benefizveranstaltung in den Zirkus »Berolina« gingen und ihren Freund Erwin seine große Pferdenummer vorführen sahen.
»Da waren zwölf Rappen oder dergleichen, die da federbuschgeschmückt Parade machten, und Erwin stand mit der Peitsche da und ließ die die Nummer vorführen. Die waren natürlich längst dressiert, und Erwin musste das nur übernehmen, aber ich zum Beispiel hätte das überhaupt nicht gekonnt. Zwölf gewaltige Pferde zu kommandieren, hätte ich nicht hingekriegt. Aber Erwin hat es nicht nur hingekriegt, sondern er hatte einen blauen Frack an mit einem blauen Zylinder und wirkte ungeheuer großartig. Es war eine tolle Nummer. Er war eigentlich besser als diese zwölf Gäule dort.« In der Pause seien Vera und er dann zu Erwins Zirkuswagen gegangen und hätten an die Tür geklopft. Die Tür sei geöffnet worden, und Erwin habe majestätisch oben auf dem kleinen Treppchen gestanden, ohne Anstalten zu machen, hinunterzusteigen oder sie hinaufzubitten. »Er nahm unsere Gratulationen absolut in der Haltung des Mannes im blauen Frack entgegen. Dass er nicht gesagt hat, gut, legen Sie’s dahin, war eigentlich alles. Sehr sehr merkwürdig. Ich bin total erschüttert nach Hause gegangen..
Kam man an Erwin Strittmatter nicht wirklich nah heran?
»Sagen wir es mal so: Man hat es einfach gemerkt, wenn erjemanden an sich rangelassen hat. Dann hat man aufgeatmet. Es war immer von seiner Verfassung abhängig, wo man empfangen wurde. Die Ausnahmen waren – und das war beinahe eine Art Ritterschlag –, wenn man in seiner Arbeitsklause zugelassen war. Wenn man den Hinweis bekam: Erwin kommt gleich, man solle in der Diele Platz nehmen, dann wusste man, das war die mittlere Freundlichkeit, die jetzt herrschte. Und wenn es ganz schlechtstand, das war aber bloß einmal der Fall, dann ließ er sich gar nicht blicken. Dann wurde man von Eva mit noch mehr Freundlichkeit, als sie sowieso immer aufbrachte, behandelt, aber man wusste, da hatte es irgendein Missfallen gegeben.«
Gewiss war Strittmatters Verschlossenheit auch eine Reaktion auf die auseinanderstrebenden politischen Positionen der beiden Männer in den späten siebziger und in den achtziger Jahren. 1978 trat Hermann Kant die Nachfolge von Anna Seghers als Präsident des Schriftstellerverbandes an, 1986 wurde er Mitglied des SED-Zentralkomitees. Strittmatter zog sich aus den Institutionen mehr und mehr zurück, er vermied öffentliche Erklärungen, während Kant in den politischen Konflikten dieser Jahre eloquent die Politik der Partei gegenüber den oppositionellen Kollegen im Verband vertrat. Mir scheint, mein Gesprächspartner möchte diese offenkundigen Diskrepanzen auf einen
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