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Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition)

Titel: Erwin Strittmatter: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Leo
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stehen dann am Auto, und die anderen stehen dadrüben und Erwin und ich alleine. Das war der einzige Augenblick, wo wir an dem Tag alleine waren. Da sagt er: Und wenn wir uns mal alleine treffen, erzählst du mir mal, wie es in Bautzen wirklich war. Das fand ich feige. Noch nicht mal vor seiner Familie. Da waren Glogers, Gotthold Gloger und seine Frau. Nur drei, vier, fünf, sechs Leute der Familie. Niemand Offizielles oder was. Und das war seine politische Feigheit..
    Er habe danach keine Lust gehabt, die Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Dann sei er ja auch bald nach dem Westen gegangen, und als er 1990 wiederkam, hätte er anderes zu tun gehabt, als da hinzufahren, und dann sei Erwin ja bald gestorben. Also, resümiert Erich Loest sein heftiges Abgrenzungsstakkato, sie hätten sich seit diesem Tag nicht wieder gesehen.
    Aber dann fällt ihm ein, dass es doch nicht so schroff endete. Ende der siebziger Jahre hätte es noch einmal eine Begegnung gegeben, zu einer Zeit, als sie beide Schwierigkeiten mit der Zensur hatten. Er mit seinem Buch »Es geht seinen Gang« und Erwin mit dem »Wundertäter III«. Beide hätten sie mit Höpcke und Hager geredet – jeder für sich natürlich – und hätten sich darüber ausgetauscht.
    »Dann hab ich gesagt, wenn ich hier gegen die Mauern laufe, dann gehe ich nach dem Westen. Ende. Und er hat gesagt: Das mache ich nicht. Ich bleibe hier, ich danke diesem Staat und dieser Partei alles. Drüben wäre ich nie Schriftsteller geworden.« Natürlich sei das Quatsch gewesen, sagt Loest, der wäre auch drüben Schriftsteller geworden. Aber solche Dingeseien damals in aller Freundschaft beredet worden: Du hast den Standpunkt, und ich hab den.
    »De Bruyn musste in seinem Brandenburg bleiben, der konnte nicht in den Schwarzwald ziehen, und der andere musste seine alte Oma versorgen, die ohne ihn gestorben wäre. Abhauen – Dableiben, das waren ja nie Hundertprozent-Entscheidungen. Da war man schon glücklich, wenn’s sechzig zu vierzig war. Deswegen war das auch in diesem Fall ein kameradschaftlicher Austausch: Ich mache das, du machst das – und keiner machte dem anderen einen Vorwurf. Auch innerlich nicht. Da haben wir miteinander ein paarmal geredet, und dann bin ich in den Westen, und dann haben wir uns nicht wieder gesehen.«
    Ob er wisse, frage ich, dass sich Strittmatter gegen Widerstände für die Nachauflage seines Romans »Es geht seinen Gang« eingesetzt habe. Davon sei ihm nichts bekannt.
    Und wie hat sich Strittmatter 1976 anlässlich der Biermann-Ausbürgerung verhalten und auch 1979, als einige Kollegen den Protestbrief an Honecker geschrieben hatten? Im Einzelnen wisse er das nicht, sagt mein Gegenüber und lehnt sich in seinem Sessel zurück. Aber Erwin sei ganz eindeutig »in Oppositionsdingen« nie dabei gewesen, nie.
    »Weder bei Biermann noch bei Prag noch irgendwas. Er war immer parteitreu. Wenn er Krach hatte, habe er den innerhalb der Partei ausgetragen, wie beim »Wundertäter III«, da war eben Höpcke gegen Hager oder so. Das blieb immer – im Kessel. Es gab nie eine Äußerung kritischer Art von ihm. Und wenn wir irgendwas machten, den Brief an Honecker oder so etwas, kam niemand auf die Idee, ihn überhaupt zu fragen..
    Erich Loest hatte als einziger Nicht-Berliner den Brief an Honecker unterzeichnet. Deshalb war er bei der Versammlung der Berliner Organisation des Schriftstellerverbandes imMai 1979 im Roten Rathaus, auf der die Unterzeichner fast alle ausgeschlossen wurden, nicht dabei. Kurz danach sei von Berlin, von Hermann Kant, Druck auf den Leipziger Verband ausgeübt worden, ihn »gefälligst auch auszuschließen«. Aber in der Leipziger Leitung des Verbandes hätte niemand so recht gewollt. Schließlich habe er seinen Austritt angeboten. Er war der Streitereien müde und hatte ja auch offen verkündet, sich nicht mehr an die Statuten des Verbandes zu halten und seine Bücher im Westen zu veröffentlichen, wenn es in der DDR nicht möglich sei.
    Geistige Rückendeckung habe er bei Franz Fühmann gefunden, der gesagt habe, er stelle das Naturrecht des Schriftstellers über die Gesetze der DDR. Das habe ihm gefallen.
    »Und dann bin ich mal hingegangen zu dem Sekretär mit einem Zettel, da stand drauf: Hiermit trete ich aus dem Schriftstellerverband der DDR aus. Datum, Unterschrift. Na ja, dann war das erledigt. Das ist noch das Nachspiel nach der großen Berliner Roten-Rathaus-Geschichte. Mein persönliches Nachspiel. Höpcke hat mich noch ein

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