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Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)

Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)

Titel: Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lillian Crott Berthung , Randi Crott
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Frage kommen würde.
    Man wird in allen Fällen eine Lösung finden, die aber nicht die
Abschiebung sein wird. Du kannst Dir denken, daß nicht nur ich beruhigt war,
sondern daß vor allen Dingen die halbe Portion den Boden nicht mehr unter sich
wanken sieht.
     
    Lillian lässt den Brief sinken. »Wie gut, dass dein Vater
sie sehen und etwas für sie tun kann.« Helmut nickt und drückt ihr dankbar den
Arm.
    Ein paar Tage später bekommt auch Lillian Post von Heinz Crott.
Schon seit einiger Zeit hat sie mit Helmuts Eltern brieflichen Kontakt, aber
jetzt ist es nur noch Heinz, der ihr schreiben kann:
     
    Meine liebe Lillian (von uns die kleine Hun genannt),
Du musst schon entschuldigen, dass ich nicht mehr das förmliche ›Sie‹ gebrauche,
aber ich kann unmöglich einem so lieben Menschenkind, das mir einen derart
schönen Brief geschrieben hat und das so treu und unverdrossen zu meinem
einzigen steht, weiterhin so gewissermaßen fremd gegenüberstehen …
    Schon mehrmals habe ich Deinen lieben Brief gelesen, und ich
freue mich immer wieder über das sonnige und warme Gemüt, das aus jeder Zeile
spricht. Du kannst Dir wohl kaum vorstellen, wie teuer Du auch meinem Herzen
geworden bist, und ich mag es so gar nicht ausdenken, daß meinem lieben Mädel
in diesem grausigen Kriege auch nur ein Haar gekrümmt würde.
    Sehr betrübt bin ich über die Mitteilung von Helmut, daß sein
Verhältnis zu Deinem lieben Vater durch die neuerlichen Ereignisse eine gewisse
Trübung erfahren hat. Das tut mir aufrichtig leid für beide Teile, da beide
gewissermaßen unbeteiligt sind, denn weder ist Dein Vater von Haus aus ein
Deutschenfresser, noch ist mein Junge auch nur im geringsten für das
verantwortlich zu machen, was geschehen ist. Du kennst Helmut auch zur Genüge,
um die Wahrheit dieser Behauptung unterstreichen zu können. Direkt weh tut mir
aber die Erkenntnis, daß Du jetzt zu Helmut hältst und dadurch Dir den Zorn des
Vaters zuziehst.
    Ist das nicht ein Jammer, daß jetzt nicht meine liebe Frau da ist.
Ich muß sehen, daß ich jetzt auf Umwegen wie ein Dieb Deine lieben Zeilen an
sie weiterbringe. Leider wird sie nicht in der Lage sein, Dir wie ich zu
antworten, jedoch darfst Du sicher sein, dass sie sich sehr, sehr freuen wird,
denn die halbe Portion, wie Helmut und ich sie nennen, hat so ein feines Gespür
für Herzenswärme, die aus jeder Deiner Zeilen spricht, daß sie Deinen Brief wie
ein Kleinod aufheben wird.

Mit Ilse in Zeitz
    Mai 2011
     
    Am 22. Mai 2011 hole ich Frau Kassel morgens in Krefeld
ab. Sie kommt mit einem kleinen Rollkoffer aus dem Haus. Und mit einem blauen
Beutel: »Hier ist Proviant für uns drin!« Wir sind auf dem Weg nach Zeitz, wo
wir zwei Tage bleiben werden. Zeitz liegt an der Weißen Elster im Süden von
Sachsen-Anhalt, 40 Kilometer von Leipzig entfernt.
    Frau Kassel macht sich nun mit ihren mittlerweile 86 Jahren zum
dritten Mal in ihrem Leben nach Zeitz auf. Das erste Mal hat sie die Gestapo
dorthin gebracht, das war 1944. Das zweite Mal ist sie 2002 in Zeitz gewesen.
Ganz allein. Und aus eigenem Willen. »Es war zwar nicht leicht für mich, aber
ich wollte diesen Ort noch einmal sehen.« Ein drittes Mal sollte es eigentlich
nicht geben.
    In der letzten Nacht habe sie nicht besonders gut geschlafen, sagt
sie, nachdem sie zu mir ins Auto eingestiegen ist. Umso dankbarer bin ich, dass
sie jetzt, 2011, die Reise in die Vergangenheit noch einmal auf sich nehmen
will.
    Unsere Reise soll auch nach Minkwitz gehen, der ersten Station nach
dem Abtransport aus Düsseldorf. Nach fünf Stunden haben wir Zeitz erreicht. Wir
quartieren uns in einem Gasthof am Markt ein. Schon auf der Fahrt durch die
Stadt passt es nicht zu meinen Gefühlen, dass Zeitz ein hübscher Ort ist. Mit
restaurierten Häusern und hellen Plätzen.
    Abends sitzen wir in der Gaststube zusammen und Frau Kassel bietet
mir das Du an. Ich freue mich, weil ich mich ihr nah fühle und es für mich so
ist, als wäre ich mit meiner Großmutter hier.
    In der Geschwister-Scholl-Straße 11, der früheren Naetherstraße,
stehen wir am nächsten Morgen vor einem dreistöckigen Backsteinhaus. Der stark
verfallene Bau ist einmal die katholische Volksschule gewesen, dahinter,
umringt von hohen Bäumen, stehen immer noch Kirche und Pfarrhaus. Hier hat
Pfarrer Clemens Wittelsbach gewohnt, einer der vielen unbekannten deutschen
Helden. Er hat im Herbst 1944 mit seinem Amt und seiner Person dafür gekämpft,
dass einige der zunächst nach

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