Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)
du auch ausgerechnet bei den Deutschen in Harstad arbeiten
musstest.« Die 16-jährige Björg schaudert. »Wie hast du das bloß ausgehalten?
Sagen die auch im Büro andauernd ›Heil Hitler?‹« Mor Eitram will ihre Tochter
dämpfen. Aber nun beginnen alle lautstark über die Deutschen und Quisling zu
schimpfen. Lillian wirft Liv einen verlegenen Blick zu.
»Und wie sieht es in Harstad aus?«, sagt Liv schnell. Lillian nimmt
den Ball dankbar auf. Sie erzählt von zu Hause. Von den Flüchtlingen aus
Finnmark. Alle am Tisch sind jetzt ganz still geworden.
»Wie weit weg wir hier in Odda doch von alldem sind«, sagt Einar
nachdenklich. »Trotz allem ist es bei uns noch friedlich.« Er setzt sich ans
Klavier und schlägt einige Akkorde an. Lillian weiß sofort, welches Lied das
ist, aber bevor die Tränen kommen, singt sie zusammen mit den anderen die nordnorwegische
Hymne » A
Eg veit meg et land langt deroppe i nord – O ich weiß ein Land
ganz weit oben im Norden.«
»Norwegen wird bis zum Äußersten verteidigt«
Frühjahr 1945
Die letzten Monate des »Tausendjährigen Reiches« haben
begonnen. Die Wehrmacht befindet sich zu Beginn des Jahres 1945 an allen
Fronten auf dem Rückzug. Auch die Ardennen-Offensive im Dezember 1944 wird die
Niederlage nicht aufhalten. Aber was passiert in Norwegen, wo immer noch über
300 000 deutsche Soldaten stationiert sind?
Die »Festung Norwegen« spielt in den politischen und militärischen
Überlegungen der obersten deutschen Führung während der letzten Monate des
Krieges nur eine drittrangige Rolle. Im Kriegstagebuch des Oberkommandos der
Wehrmacht ist belegt, dass es bei den Lagebesprechungen im Wesentlichen um den
Abzug der Verbände aus dem Norden an andere Fronten geht. Diese
Truppenbewegungen bringen neue Probleme, denn die norwegischen
Widerstandsgruppen stören mit ihren Aktionen empfindlich. Sabotageakte gegen
Eisenbahnen und Verladehäfen häufen sich.
Die norwegische Exilregierung und Teile der Widerstandsbewegung
haben die Befürchtung, dass die Deutschen das Land nicht kampflos aufgeben
werden. Reichskommissar Terboven gibt Mitte Februar einer schwedischen Zeitung
ein Interview und betont: »Norwegen wird bis zum Äußersten verteidigt.« 70 Es deutet wenig darauf hin, dass sich die deutschen Truppen in Nordeuropa
kampflos ergeben werden. Und nach den Grausamkeiten in Finnmark sind die
Norweger voller Sorge, dass sich Ähnliches auch im Süden wiederholen könnte.
Exilregierung und Widerstandsbewegung entwerfen einen Plan für die Beendigung
des Krieges. Punkt 1 dieses Planes ist eine »geordnete deutsche Kapitulation«.
Die Hoffnung, dass dies gelingen könnte, hatten nur ganz wenige Optimisten.
Historische Quellen belegen jedoch, dass in der zweiten Aprilhälfte
nur noch Terboven und einige Anhänger Quislings für einen Kampf bis zum letzten
Mann eintreten. Die Wehrmachtsführung, die inzwischen von Oslo nach Lillehammer
umgezogen ist und an deren Spitze nun Ritterkreuzträger Franz Böhme steht, ist
in ihrer Haltung unentschieden.
Am 30. April 1945 begeht Hitler in Berlin Selbstmord. Sein Nachfolger,
Großadmiral Dönitz, bestellt am 1. Mai die Hoheitsträger aus den besetzten
Gebieten zu sich, um die Lage zu erörtern. Aus Norwegen reisen zu der Konferenz
am 3. Mai Terboven und Böhme an. Offensichtlich wird erörtert, ob das besetzte
Norwegen ein »Faustpfand« in den Bemühungen sein könnte, einer bedingungslosen
Kapitulation zu entgehen. Aber »alles deutet darauf hin, dass die Runde am 3. Mai 1945 mit dem Beschluss bzw. Befehl Dönitz’ auseinanderging, es auf ein
weiteres sinnloses Blutvergießen in den okkupierten nordischen Staaten nicht
ankommen zu lassen, sondern vielmehr alle Vorbereitungen für eine friedliche
Abwicklung der Besatzung zu treffen.« Böhme erlässt am 6. Mai einen
Tagesbefehl, in dem der »Auftrag der Wehrmacht zur Verteidigung Norwegens«
bekräftigt und »eiserne Disziplin« gefordert wird. 71
Völlig zu Recht hat die norwegische Forschung
hervorgehoben, dass es Böhme in erster Linie darum ging, die Auflösung seiner
Truppe zu verhindern. Die Aufrechterhaltung der Disziplin war unumgänglich,
weil sich die Kapitulation und Entwaffnung einer Armee von 300 000 Mann nur
bewerkstelligen ließ, die absolut in der Hand ihrer Offiziere war … Ein
weiteres Motiv für den im Tagesbefehl angeschlagenen Ton war … möglicherweise
die Genehmigung zum geschlossenen Rückmarsch ins Reich zu erhalten. 72
Bis
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