Erzaehl es niemandem
die beiden
sinkenden Schiffe zeigt: Im Vordergrund die Friedenau und
dahinter die Wigbert .
Irgendwo da in den Wellen kämpft mein Vater um sein Leben.
Geben Sie mir bitte ein Glas Wasser oder ich schieße
April 1940
Die von den Deutschen als »friedlich« verkaufte Invasion
ist für die Norweger eine einzige Katastrophe. Seit 126 Jahren hat es in diesem
Land keinen Krieg und keine fremden Soldaten mehr gegeben. Infolge der langen
Zeit des Friedens ist Norwegen überhaupt nicht auf einen Krieg vorbereitet. Der
norwegische König verlässt mit seiner Familie, den Mitgliedern der Regierung
und den meisten Parlamentsabgeordneten am 9. April 1940 um 8.30 Uhr überstürzt
die Hauptstadt und fährt mit einem Sonderzug zunächst nach Hamar, später nach
Elverum.
Im Gegensatz zu seinem Bruder, dem dänischen König Christian X ., weigert sich Haakon VII .
im Einverständnis mit dem norwegischen Parlament, auf die Forderungen der Deutschen
einzugehen. Er lehnt es ab, den Führer der Nasjonal Samling Quisling zum neuen
Regierungschef zu ernennen und den militärischen Widerstand zu beenden. Er
verschließt sich jeder Zusammenarbeit mit den Deutschen. Quisling hat bereits am
Nachmittag des 8. April Flugblätter verteilen lassen, in denen er die
Entfernung der Regierung und die Übergabe der Macht an die Nasjonal Samling
fordert. Am frühen Abend des 9. April ernennt sich Quisling selbst zum
Staatschef und teilt dies der norwegischen Bevölkerung über das Radio mit. In Elverum
hoffen König Haakon und die Regierung verzweifelt auf Hilfe der Briten, denn
sie ahnen, dass ihr Verhalten eine blutige Auseinandersetzung und das eigene
Exil zur Folge haben wird. Hitler hat inzwischen in Berlin mitbekommen, dass
Quisling aufgrund der großen Ablehnung im Volk zunächst nicht durchsetzbar ist,
will ihn aber »in Reserve« halten.
Auf der Suche nach Details lese ich mit großem Interesse das Buch
über die Besetzung Norwegens von Hans-Dietrich Look, in dem diese Apriltage in
allen Einzelheiten geschildert werden. Ich bin stolz, dass die Norweger sich
nicht beugen, und ich empfinde Freude über die Verblüffung der Deutschen, die
es gar nicht fassen können, dass sich gerade die Norweger, das nordische
Brudervolk, so widersetzen. Dabei sind die Deutschen doch nach eigener
Auffassung als Freunde gekommen und haben mit keinem nennenswerten Widerstand
gerechnet. Das Oberkommando der Wehrmacht hat Richtlinien für das Verhalten »im
persönlichen Verkehr mit der norwegischen Bevölkerung« ausgegeben. Darin wird
dem Soldaten vermittelt, dass »er nicht Feindesland betritt, sondern dass die
Truppe zum Schutz des Landes und zur Sicherung seiner Bewohner in Norwegen
einrückt«. Es gelten folgende Regeln:
Der Norweger ist äußerst freiheitsliebend und selbstbewußt.
Er hat keinen Sinn für militärische Zucht oder Autorität. Also: Wenig befehlen,
nicht anschreien! Das erfüllt ihn mit Widerwillen und ist wirkungslos. Der
Norweger ist in seiner Wesensart verschlossen und zurückhaltend, langsam
im Denken und Handeln … Also: Kein Hetztempo! Zeit lassen! Das Haus des
Norwegers ist nach altgermanischer Auffassung heilig. Also: Jeden
unberechtigten Eingriff unterlassen. Der Norweger hat kein Verständnis für den
Krieg. Das seefahrende und handeltreibende Volk hat Neigung für England. Für
die Ziele des Nationalsozialismus besteht mit geringen Ausnahmen kein
Verständnis. Also: Politische Auseinandersetzung vermeiden!
Für den direkten Umgang mit den Norwegern führt der
deutsche Soldat im Tornister Übersetzungshilfen mit. Eine davon lautet:
Vennligst gi meg et glass vann eller jeg
skyte – Geben Sie mir bitte ein Glas Wasser oder ich schieße! 25
In Oslo werden ab dem 12. April die deutschen Kompanien
neu aufgestellt, denn der Untergang der Friedenau und
der Wigbert hat über tausend Soldaten das Leben gekostet. Hunderte gelten noch immer als
vermisst. Der Obergefreite Crott erfährt alle diese Nachrichten sozusagen auf
dem Dienstweg, denn sein Arbeitsplatz ist die Schreibstube geworden. Auch auf
dem weiteren Vormarsch der Deutschen ist er als Bataillonsschreiber eingesetzt.
Fünf Jahre später, am 6. Juni 1945, wird er das in einem Brief aus dem
Kriegsgefangenenlager Heistadmoen an die alliierte Behörde zu seiner Entlastung
betonen:
I have been a
soldier nearly six years without having fired only one shoot all the time as I
have been engaged in the office service five years ago.
Entlasten aber
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