Erzaehl es niemandem
wie das Stortingsgebäude
oder das Schloss. Jedem Norweger soll klar werden, dass das Land unter
deutscher Kontrolle steht.
Nur in Nordnorwegen läuft noch nicht alles nach Plan, aber Hitler
malt sich schon einmal ein Norwegen nach seinen Vorstellungen aus. Ende April
spricht er von einer Autobahn nach Trondheim und dem Ausbau der Hafenstadt am
Trondheim-Fjord, dass »Singapur ein
Kinderspiel dagegen ist« 26 . Auf einem Stützpunkt sollen die größten
Schiffe gebaut werden und, neben Trondheim, das »nördlichste Kulturzentrum des
Großdeutschen Reiches entstehen«.
Abbildung 7
Lillehammer, Marstein, Åndalsness. Die deutschen Truppen stoßen
unterdessen weiter in den Norden vor. Unter ihnen ist auch der Obergefreite
Crott. Er ist in keiner guten Verfassung, körperlich wie seelisch, die Folgen
der Torpedierung kommen erst jetzt zum Tragen, sie wirken nicht nur in den Nächten
nach, sondern verstärken auch beim Vormarsch die Angst vor allem, was kommt.
Wie vielen seiner Kameraden macht auch ihm der jähe Wechsel von der zivilen zur
militärischen Existenz zu schaffen, vom Jemand zum Niemand …
Crott weiß natürlich, dass er Teil eines Feldzuges ist, der durch
nichts zu rechtfertigen ist. Er hat in seinem jungen Leben genug
nationalsozialistische Ideologie an sich und seiner Familie erleben müssen, um
sich keine Illusionen über den Sinn der Führerbefehle und die Moral ihrer
Vollstrecker zu machen. Er sieht aber für sich keinen Ausweg. Jeden Gedanken an
Flucht und Desertieren muss sich Crott ohnehin verbieten, denn die Eltern
würden es daheim doppelt büßen müssen.
Bomben auf Harstad
Frühjahr 1940
Am 20. Mai fährt Lillian mit dem Fahrrad zurück nach
Harstad. Sie hat noch einige Lebensmittel zur Hütte gebracht und ist gerade auf
der Landstraße, als sie plötzlich Motoren hört. Das tiefe Brummen kommt von
oben. Und dann sind die Flugzeuge auch schon da. Ob es die Deutschen sind?
Bevor sie darüber nachdenken kann, sieht sie auch schon zwei französische Soldaten.
Sie laufen auf sie zu, bedeuten ihr mit Handzeichen, dass sie sich die Ohren
zuhalten und in den Straßengraben legen soll. Eine Frau, die zu Fuß auf der
Straße unterwegs ist, wird von den Franzosen an den Armen gepackt und in den Graben
gerissen.
Dann geht es los. Die Bomben fallen. Zum Glück ein wenig entfernt.
Der Lärm ist dennoch ohrenbetäubend. Von allen Seiten erwidern die Alliierten
mit Geschützfeuer, erst von Land, dann sind die großen Bofors-Kanonen der
Kriegsschiffe zu hören, schließlich die Schnellschusswaffen der Alliierten.
Dann ist auf einmal alles wieder ruhig. Die Frau beginnt zu zittern und zu
weinen. Lillian versucht, sie zu trösten und zu beruhigen. Die Franzosen geben
ihr mit Handbewegungen zu verstehen, dass sie die Frau nach Hause begleiten
werden.
Abbildung 8
Nun überkommt Lillian das Zittern. Ihr Vater. Sie muss
nach ihrem Vater sehen. Sie hebt das Fahrrad auf und macht sich auf den Weg in
die Stadt.
Sie ist erst eine kurze Strecke gefahren, als wieder Flugzeuge über
ihr dröhnen. Wieder schwere Explosionen. Vor ihr, neben ihr, hinter ihr.
Lillian wirft das Fahrrad weg und läuft zu einem nahen Schulgebäude, um dort
Schutz vor den Bomben zu finden. Hier warten bereits andere, die der Angriff
ebenfalls überrascht hat. Immer neue Angriffe fliegen die Bomber, sodass es
allen wie eine Ewigkeit vorkommt, bis die Luftschutzsirene aufheult und endlich
das Entwarnungssignal gibt.
Lillian muss nun nach Harstad. Sie muss wissen, wie es ihrem Vater
geht. Unterwegs hört sie, dass der Hafen in Harstad einem Feuermeer gleicht.
Und dass es in der Stadt überall brennt.
Abbildung 9
Lillian tritt in die Pedale, sie nimmt eine Abkürzung und
ist nun endlich in der Halvdansgate – Gott sei Dank, das Haus ist unbeschädigt,
aber die Tür ist verschlossen und Vaters Wagen weg. Sie fährt weiter, was nicht
einfach ist, denn die Straßen sind voll mit Menschen, die verzweifelt
versuchen, aus der Stadt zu kommen, alle tragen irgendetwas, einige weinen laut,
und Mütter drücken ihre kleinen Kinder an sich.
An der Stadtgrenze sieht Lillian plötzlich das Auto ihres Vaters vor
einem Haus stehen.
»Lillian, du musst sehen, dass du hier wegkommst, bevor neuer Alarm
kommt!« Es ist Lillians Lehrerin, die das ruft.
»Ich suche meinen Vater, haben Sie ihn gesehen?«
»Er steht da hinten, er sucht dich.«
Lillian fällt dem Vater erleichtert in die Arme. Dann laufen sie
zusammen zum Auto. Eine Frau,
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