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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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wie ich. Warum kannst du nicht einfach ehrlich und echt sein?«
    »Okay«, sagte ich, zu erschöpft, um zu streiten. »Dann seien wir mal ehrlich. Warum bist du eigentlich von der View Ridge geflogen?«
    Delaney wurde blass.
    Ich mach mir nicht allzu viele Gedanken, wenn ich nur einmal drüber bin , hatte sie gesagt.
    Plötzlich schien sie nicht mehr aus Haut und Make-up zu bestehen, sondern sie glich einer Glasscherbe, hart, grell und durchsichtig, so klar, dass ich sie einfach durchschaute.
    »Du warst schwanger«, flüsterte ich.
    Delaney sagte nichts, aber ich konnte die Wahrheit in ihren Augen sehen.
    »Du bist hierhergekommen, um neu anzufangen.«
    In diesem Moment begriff ich, dass Xanda und Delaney sich nicht im Geringsten ähnlich waren, genauso wie Kamran niemals der Andre aus meinen Erinnerungen werden würde. Ihn dazu machen zu wollen, war nicht fair. Wo Xanda sich zugehörig gefühlt hatte, kämpfte Delaney damit, etwas zu finden, egal was, um dazuzugehören. Partys. Aufmerksamkeit. Und jetzt Kamran, bodenständig, stark und echt. Die ganze Zeit dachte ich, Delaney hätte etwas, das ich wollte. Jetzt wusste ich, dass es genau umgekehrt war. Sie wollte etwas, das ich gehabt hatte, und sie hatte es sich genommen.
    Vielleicht hatte Essence bereits einen Teil davon erkannt, als sie versuchte, mich zu erleuchten. Erleuchtung ist nicht ganz das richtige Wort, aber irgendwie war etwas Geistliches daran, wie ich mich fühlte, inmitten des furchtbarsten Schmerzes, den ich jemals bei vollem Bewusstsein hatte ertragen müssen. Und ein Mal in meinem Leben war ich ganz da, in der Wirklichkeit, während der Moment sich um mich legte wie ein Mantel. Die Musik dröhnte von oben, während Kamran sich von hinten Delaney näherte, ohne ein Wort zu sagen. Meine Mutter würde es eine Offenbarung nennen. Xanda hätte es vielleicht als den perfekten Augenblick bezeichnet.
    Oben rief Milo den Adel des Winterballs dazu auf, sich auf die Bühne zu begeben. Delaneys Gesicht war nass, aber mir war nicht mehr klar, warum. Ich wollte ihr gerade sagen, sie solle wieder nach oben gehen, als mich ein Rauschen in meinen Kopf in eine warme, dunkle Wolke hüllte. Kamran stand seitlich hinter ihr und ich fragte mich, warum er immer noch hier war – hier, in diesem Tunnel aus Dunkelheit, während Xanda mich mit einem Baby im Arm anlächelte.
    Das war es, was Xanda gewollt hatte, als sie mit Andre davongelaufen war. Einen Augenblick perfekter Einsicht und vollkommenen Friedens, ruiniert durch den eiskalten Beton, der jetzt unaufhaltsam auf mein Gesicht zuraste.

34
    Ich fühlte mich sicher und warm in der Dunkelheit, die Xanda und mich umgab, wie damals, als wir zusammen in unseren Schlafsäcken lagen, wenn wir mit Dad auf unserem jährlichen Campingausflug waren. Ich weiß nicht, was aus diesen Schlafsäcken geworden ist, nachdem Xanda tot war. Wir sind nie wieder Campen gegangen.
    Mit ihr in dieser warmen, wohligen Erinnerung war es auch, als hätten wir unseren verlorenen Dad wiedergefunden. Außer, dass wir in einem Tunnel waren, die Dunkelheit verwischt von dem leichten Leuchten, dass von Xanda ausging und von dem Bündel, das sie trug.
    Als ich ihr folgte, bemüht, mit ihr Schritt zu halten, lief ich an noch dunkleren Orten vorbei, Orten, die aussahen, als ob sie mich verschlucken würden wie eins von Kamrans Wurmlöchern, wenn ich hineintrat, um mich in einer anderen Zeit und einem anderen Raum wieder auszuspucken. Wie eine Klaue brach Kamrans Hand aus einer der Wände, um mich hineinzuziehen. Xanda und das Baby verschwanden. Ich versank in Dunkelheit.
    »Wie heißt sie noch mal?«
    »Miranda. Miranda Mathison.« Wieder Kamrans Stimme. Und eine andere Stimme, Delaneys?, stammelte: »Omeingottomeingottomeingott…«
    Eine weitere Stimme, die ich nicht erkannte, sagte: »Halt sie fest.« Hände packten mich, Licht durchbohrte mich, Schmerz umhüllte mich. Ein schepperndes Geräusch, Metall auf Metall. Eine Frau mit roten Haaren beugte sich über mich. Xanda war verschwunden.
    Ich bekam keine Luft wegen der Kappe auf meinem Mund. Ich versuchte, sie wegzureißen, um atmen zu können. Alles war so weiß, bis auf die beiden eckigen schwarzen Augen an der Wand, die auf mich hinabstarrten, während Lichter durch sie rasten. Aber ich bekam diese Maske einfach nicht von meinem Gesicht.
    »Miranda, hör mir zu«, sagte die rothaarige Stimme. »Du musst dich entspannen. Du musst die Maske aufbehalten. Du musst atmen.« Sie hatte keine

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