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Erzaehl mir ein Geheimnis

Erzaehl mir ein Geheimnis

Titel: Erzaehl mir ein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Cupala
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deine Schwester völlig ausgetickt und hat mich beschuldigt, sie zu betrügen. Weißt du, warum sie gestorben ist?« Er gab mir keine Zeit zu antworten. »Weil sie stinksauer auf mich war. Weil wir auf der Straße nach L.A. waren und ich zu einer Frau rübersah, die uns überholte – ich hab nicht mal bemerkt, dass sie mich angesehen hatte, ich schwöre, ich wollte nur die Spur wechseln, und deine Schwester ist ausgetickt. Ich sagte ihr, dass ich mir nicht mehr sicher wäre, ob wir zusammen nach L.A. gehen sollten, wenn sie mir ständig vorwerfen würde fremdzugehen. Doch sie schrie mich nur noch mehr an und fing an, mir zu drohen. Ich sagte, ich würde umdrehen, und … und du glaubst es mir bestimmt nicht, aber nachdem sie mir gedroht hatte, tat sie es einfach. Sie sprang aus dem Auto. Sie sprang aus dem fahrenden Auto!«
    Er redete immer weiter, schrie und weinte und ich hörte ihm zu und weinte und versuchte mir vorzustellen, wie meine Schwester sich buchstäblich die Pistole an ihren eigenen Kopf hielt, die Tür öffnete und aus einem fahrenden Wagen sprang. Die Fahrbahn, wie sie an ihr vorbeirauschte, so hart, so schnell, und sie, so wütend, dass sie sich von ihm losriss und sich auf diesen harten, vorbeirauschenden Asphalt stürzte …
    »Und deine Eltern konnten die Wahrheit einfach nicht akzeptieren. Sie haben mich beschuldigt, mich wie einen Kriminellen behandelt und mir einfach nicht zugehört, als ich ihnen gesagt habe, sie sei gesprungen. Nein, sie haben der Polizei erzählt, ich hätte getrunken – okay, vielleicht ein bisschen, aber wir hatten keinen Unfall und ich habe sie nicht aus dem Auto geworfen, wie sie es behauptet haben. Aber sie gaben keine Ruhe. Deine Mutter gab keine Ruhe. Sie würde mich persönlich umbringen, weil ich ihre Tochter umgebracht habe, ihre kostbare Tochter, die sie, als sie noch lebte, eine Hölle auf Rädern nannte. Aber plötzlich, als sie tot war, war Xanda der Engel und ich der Teufel.«
    Xanda der Engel. Andre der Teufel. Ich hatte die meiste Zeit meines Lebens mit diesen Archetypen gelebt und sie zu meinen eigenen Bildern verdreht.
    Aber ich schaffte es einfach nicht, Xanda zu der Erschafferin ihres eigenen Todes zu verdrehen. Sie hatte das Leben geliebt. Sie hatte alles riskiert, um es zu leben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie es so gedankenlos wegwerfen würde. Das hätte sie nie gekonnt , wollte ich sagen.
    Aber zugleich wusste ich, sie hätte es gekonnt. Ich wusste, dass sie dazu fähig gewesen wäre. Ich erinnerte mich an das Loch in der Wand hinter meiner Tür, da hatte sie mir ein Buch an den Kopf geworfen. Ich erinnerte mich an die Angst, die ich immer hatte, dass sie mich eines Tages, wenn sie wütend genug wäre, mit einem ihrer Stöckelschuhe aufspießen würde. Ich erinnerte mich, wie sie mich stets gegen Mom verteidigte, als ob mein Leben wichtiger wäre als ihr eigenes. Ich erinnerte mich an so vieles, und darum wusste ich es, obwohl ich es eigentlich nicht wahrhaben wollte. Und es brach mir das Herz.
    Andre redete immer noch. Als wäre sein persönlicher Staudamm endlich gebrochen und drohte, mich nun mit den unausgesprochenen Wahrheiten zu überschwemmen. »Es tat mir wirklich leid um deine Schwester. Ich wollte es dir erzählen, weil ich dich mochte. Du warst ein nettes Mädchen. Aber deine Mutter hat mir geschworen, wenn ich jemals in deine Nähe käme, würde sich mich umbringen. Mit der Nagelpistole deines Dads.«
    Ich weinte und Andre weinte, aber zugleich lachten wir bei der Vorstellung, wie meine Mutter eine Nagelpistole schwingt, wo sie doch nie etwas Gefährlicheres als eine Nagelfeile schwang. Ich erinnerte mich, dass die Polizei zu uns nach Hause gekommen war. Der Unfallbericht. Wie man mich auf mein Zimmer schickte und ich mich über den Flur wieder zurückschlich, um Gesprächsfetzen aufzuschnappen, die mir erklären sollten, warum meine Schwester tot war. Ich bekam nur eine Antwort: Andre hatte sie umgebracht. Und irgendwie war mein Dad an allem schuld.
    Nur, dass es gar nicht Andre war. Irgendwo in den Verästelungen von Xandas Leben war etwas schiefgelaufen und hatte erst Xanda und dann alle anderen mit in die Tiefe gerissen.
    Und dann war da Lexi. Wie passte sie in diese Verwirrungen? Ob sie noch immer Xandas Engel war?
    Andre drehte sich zu mir um, seine Augen waren rot und voller Tränen. »Gott, ich vermisse sie manchmal immer noch«, sagte er.
    »Ich auch.«
    »Manchmal denke ich, wenn ich nur eine Sache anders gemacht

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